Marie-Theres Igrec bei Konferenz im Rahmen der "Interfaith Harmony Week" der Vereinten Nationen in Wien: Schulen können in pluraler werdenden Gesellschaften Räume für interreligiöses Verständnis schaffen
Wien, 03.02.2025 (KAP) In einer pluralen Gesellschaft und vor dem Hintergrund einer zunehmenden Polarisierung gesellschaftlicher Kontexte können katholische Privatschulen eine wichtige Rolle in der Friedenserziehung spielen: Dieser Überzeugung hat die Wiener Bildungsexpertin Marie-Theres Igrec bei einer Konferenz im Vorfeld der "Interfaith Harmony Week" (1. bis 7. Februar) der Vereinten Nationen in Wien vergangenen Freitag (31. Jänner) Ausdruck verliehen. Bei der Tagung zum Thema "Harmonie zwischen Religionen und Kulturen - Eine Voraussetzung für den Weltfrieden" sprach Igrec neben hochkarätigen internationalen Rednerinnen und Rednern über die besondere Rolle der katholischen Privatschulen in der Schaffung gemeinsamer Verständigungsräume.
In Österreich gibt es 292 katholische Privatschulen und etwa 600 Kindergärten, die rund 7 Prozent des Schulsystems ausmachen, wie die Ordensgemeinschaften auf ihrer Webseite informieren. 75 Prozent der Schülerinnen und Schüler seien katholisch; der Rest setze sich aus Kindern ohne Religionszugehörigkeit sowie aus Kindern anderer Religionen zusammen. Der Anteil der Nicht-Katholiken werde in den kommenden Jahren steigen. Katholische Schulen müssten daher "ihr konfessionelles Erbe pflegen, in dem sie es in eine zeitgemäße Sprache übersetzen und sich dabei den Herausforderungen einer pluralistischen Gesellschaft stellen", wie Igrec, Bereichsleiterin Bildung und Ordensschulen der Ordenskonferenz, erklärte.
Gerade in einer Zeit, in der es trotz vieler Beispiele von gelingendem interreligiösen Zusammenleben auch durch politische Polarisierung verursachte Spannungen gebe, könne dem Religionsunterricht eine bedeutende Rolle in der interreligiösen Verständigung zukommen, führte Igrec aus. In Österreich sehe es das Gesetz vor, dass jede gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft Religionsunterricht erteilen darf. Das sei auch in katholischen Privatschulen der Fall. So bekämen dort etwa muslimische Kinder islamischen Religionsunterricht.
Gemeinsame Verständigungsräume
Den katholischen Privatschulen sei es in der Gestaltung des Schullebens ein Anliegen, die Multireligiosität ihrer Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen, "sowohl in der Gestaltung gemeinsamer Feiern als auch in der Sensibilität gegenüber den religiösen Praktiken und Festen anderer Religionen", betonte Igrec. Viele Eltern anderer religiöser Bekenntnisse würden ihre Kinder bewusst wegen ihrer besonderen Religionssensibilität in katholische Schulen schicken.
Diese Herangehensweise bringe auch Herausforderungen mit sich: Es reiche etwa nicht, nur Räume für die einzelnen Religionsunterrichte zu schaffen, die unter gewissen Umständen sogar eine Trennung der Klassengemeinschaft in konfessionelle Gruppen nach sich ziehen könnte. Wesentlich sei die Schaffung gemeinsamer Verständigungsräume, die allerdings einer gewissen Anstrengung bedürften. So brauche es eine "fundierte und wissenschaftlich angeleitete Begleitung eines interreligiösen Begegnungslernens". Dazu müsse in Zukunft viel in die Ausbildung der Lehrpersonen und die Organisationsentwicklung der Schulen investiert werden.
Der Ansatz der katholischen Privatschulen, die Raum geben wollten, Toleranz und Wertschätzung gegenüber Andersdenkenden einzuüben, sei jedenfalls wegweisend für die Friedenserziehung an Schulen, zeigte sich Igrec überzeugt: "Dort, wo eigene Wurzeln und Prägungen nicht privat gehalten und einer verordneten Kollektividentität untergeordnet werden müssen, sondern wertschätzend zur Sprache gebracht werden dürfen, wo Kinder diese oft emotional geprägten biographischen Traditionen reflektieren können, kann auch auf Augenhöhe in den Dialog mit Menschen anderer Überzeugungen eingetreten werden."