Symposion zur Aufhebung der Fakultät durch die Nationalsozialisten - Dekan Halbmayr: "Heute rechtzeitig gegen Autoritarismus, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus auftreten" - Lackner: Theologische Fakultät Salzburg für Kirche und Gesellschaft unverzichtbar" - LH Haslauer: Theologie hält an Universität Frage nach Grund des Seins offen
Salzburg, 30.11.2018 (KAP) Mit einer hochkarätig besetzten Fachtagung hat die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Salzburg ihrer Auflösung vor 80 Jahren durch die Nationalsozialisten gedacht. Die Tagung, die noch bis 30. November in Salzburg stattfindet, steht unter dem vielsagenden und den betreffenden Ministeriums-Erlass vom 12. September 1938 zitierenden Titel "... und mit dem Tag der Zustellung dieses Erlasses aufgelassen". Erzbischof Franz Lackner, Landeshauptmann Wilfried Haslauer, Rektor Heinrich Schmidinger, Dekan Alois Halbmayr und Abt Theodor Hausmann betonten eingangs die Bedeutung, die der Fakultät seit ihrer Wiedererrichtung 1945 zukommt und dass es heute gelte, aus der Geschichte Wachsamkeit gegen jede Form von Autoritarismus, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus zu lernen.
Die Fakultät wurde in Folge des "Anschlusses" Österreichs an das Deutsche Reich durch einen Erlass vom 12. September 1938 aufgelöst und erst nach Kriegsende 1945 wieder errichtet - ähnlich wie die theologischen Fakultäten in Innsbruck (Aufhebung im Juli 1938) und in Graz (Aufhebung im April 1939). Einzig die Wiener Fakultät konnte während der Zeit des Nationalsozialismus ihren Betrieb - wenn auch eingeschränkt - weiterführen.
Wie Erzbischof Lackner zu Beginn der Tagung betonte, gehörten "Kirche und Bildung von Anfang an zusammen". Insofern stellte die Auflösung der Theologischen Fakultät 1938 den "wohl den folgenreichsten Schritt" dar, da somit "eine jahrhundertelange Tradition abrupt beendet, ein Kontinuum ausgelöscht" wurde, so Lackner. Darüber hinaus wurden nämlich auch 98 katholische Schulen, Internate und Kindergärten geschlossen.
Heute vermag die Theologie "als Universalwissenschaft Grundlegendes für die Gesellschaft zu leisten", betonte Lackner den Wert gegenwärtiger universitärer Theologie: Zum einen im Blick auf die moralischen Quellen der Gesellschaft, zum anderen im Blick auf eine offene Gesellschaft, die Kompetenzen für den Umgang mit dem Fortbestand pluraler Religiosität brauche: "Beides leistet die theologische Fakultät hier in Salzburg und sie ist somit unverzichtbar".
"Der Universität ihre DNA nehmen"
Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer würdigte die Theologie als historischen "Kern der Universität". Heute jedoch müsse sich die Theologie die Frage gefallen lassen, ob sie diese zentrale Aufgabe für die Universität aber auch gesellschaftlich überhaupt noch wahrnehmen wolle und könne. Das Problem sei heute schließlich eine grassierende "Gleichgültigkeit" Kirche und Theologie gegenüber.
Dennoch dürfe die Universität als Ganze nicht auf jene Frage verzichten, die u.a. durch die Theologie an der Universität eingebracht werden: Die Frage nach dem Grund des Seins. Nur so werde schließlich sichergestellt, dass die Universität sich nicht als reine Ausbildungsstätte nach dem Kriterium der Nützlichkeit bewertet werde. "Es wäre ein fataler Fehler, diese andere Seite der Universität aufzugeben - damit würde man der Universität ihre DNA nehmen", so der Landeshauptmann.
Der Rektor der Universität Salzburg, Heinrich Schmidinger, bezeichnete die Auflösung als "die dunkelste Stunde der Universität Salzburg" insgesamt - schließlich seien die Theologischen Fakultäten in Salzburg aber auch anderswo so etwas wie die Keimzelle der Universität gewesen. Zuversichtlich blickte Schmidinger - selber Theologe - in die Zukunft der Salzburger Fakultät: "Die Fakultät muss auch in Zukunft eine große Rolle an der Universität spielen", unterstrich der Rektor.
"Gegen Autoritarismus, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus"
Der Dekan der Theologischen Fakultät. Prof. Alois Halbmayr, unterstrich, dass die Schließung der Fakultät 1938 eine "wahrhaft entscheidende Zäsur" für die gesamte, damals in der Vorbereitung ihrer Neugründung befindliche Universität Salzburg dargestellt habe. Um so mehr gehöre es "zu unser aller intellektuellen Verantwortung, die eigene Geschichte zu kennen, um daraus Lehren für heute zu ziehen". Diese würden etwa eine erhöhte Sensibilität "gegen Autoritarismus, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus" sowie gegen Demokratiefeindlichkeit und politische Unversöhnlichkeit umfassen, aber auch die Einsicht "wie abrupt sich Plausibilitäten und vermeintlich verlässliche Rahmenbedingungen schlagartig ändern können", mahnte Halbmayr.
Vereitelter Plan einer Wiedererrichtung der Universität
Die Schließung der Fakultät per Erlass vom 12. September 1938 bedeutete zugleich das Aus für die Pläne, in Salzburg wieder eine Universität ins Leben zu rufen. Schließlich existierte die Universität Salzburg seit ihrer Aufhebung 1810 in Folge der Angliederung Salzburgs an Bayern nur mehr in Form eines "Lyzeums" (philosophische Lehranstalt), das 1850 in eine Universität umgewandelt wurde, allerdings beschränkt auf die Theologische Fakultät und die somit eine "Rumpfuniversität" blieb.
Die Pläne zur Wiedererrichtung einer vollwertigen Universität in Salzburg sahen eine "Katholische Universität" vor. Als staatliche Einrichtung wurde die Universität Salzburg erst 1962 mit der Schaffung einer Philosophischen Fakultät neben der Theologischen Fakultät wiedererrichtet.
Historische Zugänge
In verschiedenen historischen Annäherungen erörterten in Folge Historiker, Archiv-Experten und Kirchenrechtler grundlegende Fragen der historischen Entwicklung u.a. der Universität Salzburg sowie spezielle Fragen etwa zum Umgang mit dem Personal der Fakultät und mit ihrem Bibliotheksbestand. Der Zeithistoriker Ernst Hanisch zeigte etwa auf, wie der österreichische Episkopat bereits seit 1918 zwischen pastoralem Rückzug, offener Befürwortung autoritärer Machthaber und theologischer Kritik im Blick auf die politischen Umwälzungen changierte. Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich habe diese Unsicherheit dann zu einer "beispiellosen Demutsgeste der Kirche gegenüber dem Nationalsozialismus" geführt, so Hanisch.
Der Geschäftsführer des Bereichs "Gemeinde & Arbeitswelt" in der Katholischen Aktion der Erzdiözese Salzburg, Josef Mautner, nahm das Verhältnis von katholischer Soziallehre und autoritärem Ständestaat in den Blick und attestierte den damaligen kirchlichen Akteuren eine "überhöhte Vorstellung" im Blick auf eben jenen Ständestaat. Dieser habe sich in keiner Weise als geeignet erwiesen, die realen sozialen Probleme zu lösen.
Weitere, zum Teil launige Vorträge über die Geschichte der Salzburger Fakultät, deren Aufhebung und Folgen für das kirchliche Leben hielten sodann der Leiter des Archivs der Universität Salzburg, Christoph Brandhuber (Von Szeptern und Arkebusen. Streiflichter aus der Geschichte der Theologischen Fakultät), der Salzburger Kirchenrechtler Alfred Rinnerthaler (Die Aufhebung der Theologischen Fakultät im September 1938. Hintergründe - Personelle Konsequenzen - Folgen) sowie der Leiter des Linzer "Franz und Franziska Jägerstätter Instituts", Andreas Schmoller (Der Kampf um die Waffenkammern des Geistes. Die theologischen und kirchlichen Bibliotheken Salzburg 1938-45).
Große NS-Pläne und biografische Schicksale
Der zweite Tag der Salzburger Konferenz über die Auflösung der Theologischen Fakultät vor 80 Jahren durch die Nationalsozialisten zeigte den Spannungsbogen zwischen großen, letztlich gescheiterten NS-Plänen für den Hochschulstandort Salzburg und den persönlichen, teils dramatischen Schicksalen von Salzburger Professoren auf, die teils zur Emigration gezwungen wurden, teils zwangsemeritiert wurden - und von denen manche schließlich nach ihrer Rückkehr nach Kriegsende zu Motoren der Neugründung und des Aufschwungs der Fakultät wurden.
Der Salzburger Kirchenhistoriker Roland Cerny-Werner berichtete etwa von den hochtrabenden, letztlich gescheiterten Plänen der NS-Machthaber, nicht nur die Theologische Fakultät aufzulösen, sondern an ihrer Stelle langfristig in Salzburg nationalsozialistisch ausgerichtete "Reichswissenschaftswochen" einzurichten. Diese sollten laut Cerny-Werner nach den Worten des NS-Reichskommissars Heinrich Himmlers einer "Heerschau der deutschen Wissenschaft" dienen.
Ein erster Schritt in diese Richtung stellte die Ausrichtung der nationalsozialistischen "Salzburger Wissenschaftswochen 1939" dar, die dezidiert gegen die seit 1931 bestehenden katholischen Salzburger Hochschulwochen gerichtet waren. So zeigte Cerny-Werner anhand von Dokumenten auf, dass der erklärte Wille vorlag, die "Wissenschaftswochen" müssten die Hochschulwochen "qualitativ weit übertreffen", um somit die als ideologischen Gegner verstandene katholische Kirche zu bekämpfen.
Einblicke schließlich in die Biografien verschiedener Lehrender boten der Salzburger Zeit- und Wissenschaftshistoriker Alexander Pinwinkler und der Politikwissenschaftler Tobias Neubacher. Besonders beleuchteten sie dabei etwa die Schicksale des Benediktinerpaters und Gelehrten P. Thomas Michels (1892-1979) und des katholischen Philosophen und Balduin Schwarz (1902-1993).
Der aus dem Rheinland stammende P. Michels avancierte seit den 1930er Jahren zu einem der Protagonisten der Idee einer katholischen Universitätsgründung in Salzburg. 1938 ging er ins Exil in die USA, 1947 kehrte er schließlich nach Salzburg zurück, wo er neuerlich die Idee einer katholischen Universität vertrat. über 20 Jahre war er außerdem maßgeblicher Obmann des Direktorium der Salzburger "Katholischen Hochschulwochen" (1950-1971) und erlangte in dieser Zeit eine weit über Salzburg herausragende Bedeutung. Heute ist an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Salzburg eine u.a. von Tobias Neubacher konzipierte und umgesetzte Ausstellung zum Leben und Wirken P. Michels' zu sehen (Infos: www.thomasmichels.at)
Den Abschluss der Tagung bildete ein Podiumsgespräch zwischen dem Salzburger Kunsthistoriker und langjährigen Diözesankonservator, Prälat Johannes Neuhardt, und dem Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber. Anhand von Auszügen aus Tagebucheinträgen und anderen Quellen boten sie Einblicke in die Biografien des Benediktinerpaters Benedikt Probst und des Neutestamentlers Josef Dillersberger sowie in die zeitgeschichtlichen Rahmenbedingungen ihres Wirkens an der Universität Salzburg.
Der Leiter des "Franz und Franziska Jägerstätter Instituts" (FFJI) an der KU Linz bei einer Tagung am 29. November 2018 zur Auflösung der Katholisch-Theologischen Fakultät Salzburg 1938
Emeritierter Salzburger Kirchenrechtler bei einer Tagung am 29. November 2018 in Salzburg zur Auflösung der Theologischen Fakultät im Jahr 1938
Der Geschäftsführer des Bereichs "Gemeinde & Arbeitswelt" in der Katholischen Aktion der Erzdiözese Salzburg bei einer Tagung am 29. November 2018 in Salzburg zur Auflösung der Theologischen Fakultät im Jahr 1938
Tagung am 29. November 2018 in Salzburg zur Auflösung der Theologischen Fakultät im Jahr 1938 - v.l.: Prof. Dietmar Winkler, Theodor Hausmann (Vors. d. Salzb. Äbtekonferenz), Erzbischof Franz Lackner, LH Wilfried Haslauer, Prof. Alois Halbmayr
Der Historiker Ernst Hanisch bei einer Tagung am 29. November 2018 in Salzburg zur Auflösung der Theologischen Fakultät im Jahr 1938
Der Salzburger Landeshauptmann bei einer Tagung am 29. November 2018 in Salzburg zur Auflösung der Theologischen Fakultät im Jahr 1938
Der Rektor der Universität Salzburg bei einer Tagung am 29. November 2018 in Salzburg zur Auflösung der Theologischen Fakultät im Jahr 1938
Der Vorsitzende der Salzburger Äbtekonferenz bei einer Tagung am 29. November 2018 in Salzburg zur Auflösung der Theologischen Fakultät im Jahr 1938
Der Erzbischof von Salzburg bei einer Tagung am 29. November 2018 in Salzburg zur Auflösung der Theologischen Fakultät im Jahr 1938
Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg bei einer Tagung am 29. November 2018 in Salzburg zur Auflösung der Theologischen Fakultät im Jahr 1938
zurück
weiter
Lackner: "Kirche und Bildung gehören von Anfang an zusammen"
Symposion an Grazer Theologischer Fakultät erinnerte an den einzigartigen Protestbrief vom 11. November 1938, in dem der Grazer Priestergelehrten Johannes Ude die "banditenartigen Überfälle" des NS-Regimes kritisierte
Ökumenischer Gottesdienst in der Wiener Ruprechtskirche - Männerorden-Vorsitzender Haidinger: "Eine sehr dunkle Geschichte, die wir Christen gegenüber den Juden bezeugen müssen" - Bischof Bünker: Aufruf zum Handeln gegen zunehmenden Antisemitismus