Kirchenaustritte (2) - Für Bayerns Bischöfe Weckruf und Ansporn
19.07.201914:26
(zuletzt bearbeitet am 19.07.2019 um 14:27 Uhr)
Deutschland/Kirche/Statistik/Reaktionen
München, 19.07.2019 (KAP/KNA) Mit Bestürzung und dem bekundeten Willen zu Veränderungen haben Bayerns Kirchenleitungen auf den neuen Höchststand bei den Austritten reagiert. Diese seien wohl vielfach auf die 2018 veröffentlichte Missbrauchsstudie zurückzuführen, erklärten mehrere Bischöfe. Die Kirche müsse sich nun verloren gegangenes Vertrauen wieder erarbeiten und den Sinn des Glaubens besser erklären.
In Bayern ist der gesamtdeutsche Anstieg an Kirchenaustritten 2018 besonders stark zu spüren: Die beiden großen Kirchen verloren hier zusammen mehr als 113.000 Mitglieder, geht aus am Freitag veröffentlichten amtlichen katholischen und evangelischen Statistiken hervor. Ein Großteil des Verlusts resultiert aus 90.000 Kirchenaustritten, 62.246 davon - so viele wie noch nie und 32,8 Prozent mehr als im Jahr davor - allein in der katholischen Kirche, während die 27.673 Austritte in der evangelische Landeskirche ein Plus von 17 Prozent ausmachen.
Der Münchner Generalvikar Peter Beer rief dazu auf, den Mitgliederschwund als "Ansporn" zu verstehen: "Wie können wir unsere Angebote qualitativ besser machen? Wie können wir Menschen erreichen?" Man müsse spürbar machen, dass der christliche Glaube wirklich Sinn stifte und dem Leben eine gute Richtung gebe. Die Botschaft der Kirche richte sich an alle Menschen. "Diese Relevanz für das eigene Leben müssen wir aber an vielen Stellen neu sichtbar machen."
Bambergs Erzbischof Ludwig Schick ergänzte, die tieferliegende Ursache dürfte die zurückgehende Kirchenbindung sein. Die Austrittszahlen und die Anzahl der Taufen könnten durch gute Seelsorge und missionarisches Wirken beeinflusst werden. "Wir müssen die Statistik als Weckruf zu mehr Engagement für das Evangelium und den Glauben betrachten. Wir brauchen neue Impulse in der Pastoral, insbesondere bei der Seelsorge für Familien, damit Eltern ihre Kinder taufen lassen und in die Kirche einführen."
Glaubwürdigkeit in Krise
Der Würzburger Bischof Franz Jung konstatierte: "Es geht ganz offensichtlich um die Glaubwürdigkeit der Kirche." Kirchliches Tun stehe zusehends unter dem Zustimmungsvorbehalt des Einzelnen. "Als Kirche sind wir aufgefordert, uns selbst zu bekehren und Anstrengungen zu unternehmen, in einer Welt mit vielen Sinnangeboten Menschen für Christus zu gewinnen."
Passaus Oberhirte Stefan Oster sagte, jeder Austritt schmerze. "Natürlich spielen die Missbrauchskrise und manche öffentlichen Debatten dabei eine wichtige Rolle. Und wir müssen hier konsequent die Betroffenen im Blick haben und um unsere eigene Erneuerung ringen." In der aktuell "schnelllebigen und oft oberflächlichen Welt" hätten die großen Fragen nach Sinn, Tiefe, Leid und Tod, für die die Kirche stehe, oft keinen Raum. Oster appellierte an die Menschen: "Bleiben Sie! Bringen Sie sich ein, ringen Sie mit Ihrer Kirche. Und vor allem: Suchen Sie die Begegnung mit dem, der die Mitte von Kirche ist und bleibt: Jesus Christus!"
Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke forderte: "Wir müssen noch mehr auf die Menschen zugehen und ihnen zeigen, dass dieser Weg in der Gemeinschaft des Glaubens Sinn macht." Der "unsägliche Missbrauchsskandal" und der Finanzskandal in seiner Diözese hätten viel Vertrauen nachhaltig beschädigt. Mit der "rückhaltlosen Aufklärung" der Skandale unternehme man große Anstrengungen, der Frohen Botschaft den Weg in die Herzen der Menschen zu ebnen.
Der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm unterstrich einen positiven Aspekt der Statistik. Trotz der um rund 4.000 gestiegenen Austrittszahl hätten sich 2018 mehr Menschen in seiner Kirche ehrenamtlich engagiert. Auch habe es 1.400 Gottesdienste mehr gegeben. Das zeige, "dass die Kirchenaustritte das Engagement für den Glauben und das Leben der Kirche keineswegs bremsen".
Zwei Drittel der Bevölkerung noch Mitglieder
Zum Jahresende 2018 lebten in Bayern 6,377 Millionen Katholiken und 2,326 Millionen Protestanten, zusammengerechnet 8,7 Millionen Christen bei derzeit etwas über 13 Millionen Einwohnern insgesamt. Demnach gehören noch zwei Drittel der Bevölkerung im Freistaat einer der beiden großen Konfessionen an. In diesen Zahlen sind auch der Sterbeüberhang sowie Konfessionswechsel, Wiedereintritte und Zuzüge enthalten. In der katholischen Kirche wird demnach die rückläufige Gesamtentwicklung durch Zuwanderer wesentlich stärker abgemildert als in der evangelischen Kirche.
Die stärksten regionalen Anstieg bei den Austrittszahlen gab es 2018 in der von einem Finanzskandal erschütterten Diözese Eichstätt: Hier sagten sich 3.866 Katholiken von der Kirche los, 49 Prozent mehr als im Vorjahr. Überproportional fiel der Zuwachs auch in den Diözesen Würzburg (44 Prozent), Augsburg (39 Prozent) und Passau (37 Prozent) aus.