Deutscher Bischofskonferenz-Sprecher Knopp: "Große Gefahr, dass der assistierte Suizid zu einer normalen Option am Ende des Lebens wird" - Früherer Bundestagspräsident Thierse: Suizid nicht heroisieren und zum Inbegriff der Selbstbestimmung machen
Bonn, 28.08.2020 (KAP/KNA) Die katholische Deutsche Bischofskonferenz widerspricht der Position des evangelischen Landesbischofs Ralf Meister zu Beihilfe zum Suizid in kirchlichen Einrichtungen. "Der Gedanke, die dem Menschen von Gott geschenkte Autonomie umfasse auch ein fundamentales Recht, sich selbst zu töten, ist problematisch", sagte Konferenz-Sprecher Matthias Kopp auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn.
Die katholische Kirche sei weiterhin besorgt über das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts von Ende Februar zur Aufhebung des Verbots der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe, wie es die gemeinsame Stellungnahme des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz damals zum Ausdruck gebracht habe. Darin hätten beide Kirche eine Ablehnung der Suizidbeihilfe bestätigt.
Kopp erklärte weiter: "Zudem besteht in der Praxis die große Gefahr, dass der assistierte Suizid zu einer normalen Option am Ende des Lebens wird. An erster Stelle muss das Bemühen stehen, Menschen in den besonders vulnerablen Situationen am Lebensende Fürsorge, Begleitung, Trost und Linderung anzubieten." Der weitere Ausbau der hospizlichen und palliativen Versorgung sei entscheidend.
Zugleich betonte der Sprecher, an der aktuellen Debatte werde deutlich, dass es in diesen Fragen Gesprächsbedarf "in der Gesellschaft, unter den Christen und auch im ökumenischen Miteinander" gebe.
Der Hannoveraner Landesbischof Meister hatte für ein Recht auf Selbsttötung plädiert. Wenn das Leben von Gott geschenkt sei, dürfe der Mensch "auch über die Art und Weise und den Zeitpunkt des Lebensendes selbstbestimmt nachdenken", sagte Meister in der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" (Donnerstag). Er sprach sich dabei auch für Beihilfe zum Suizid in kirchlichen Einrichtungen aus und schloss auch Sterbehilfe bei Kindern nicht aus.
Moraltheologe: Widerspruch zu Bibel
Auch der katholische Moraltheologe Franz-Josef Bormann, Mitglied des Deutschen Ethikrates, widersprach Landesbischof Meister. Bormann sagte dem Katholischen Sonntagsblatt für die Diözese Rottenburg-Stuttgart (Ausgabe 30. August), es gebe eine "ganz klare biblische Grundorientierung, dass Leben auf keinen Fall zerstört werden darf". Wer dies tue, um den Belastungen eines Alterungs oder Krankheitsprozesses zu entgehen, könne sich auf keinen Fall auf die Bibel berufen.
Gerade in der christlichen Tradition gebe es die ganz klare Vorstellung, dass das in den Zehn Geboten festgeschriebene Tötungsverbot auch die Selbsttötung einschließe, erklärte Bormann. Daher sei es "sehr eigentümlich", dass sich der evangelisch-lutherischer Landesbischof Meister, der sich als Protestant ja in besonderer Weise der Heiligen Schrift verpflichtet wisse, "eine solch abseitige Position vertritt", sagte der Tübinger Theologieprofessor.
Bormann beklagte, es gebe innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) "mittlerweile einen enormen Binnenpluralismus der moralischen Überzeugungen". Das erschwere das ökumenische Gespräch ungemein und zeige, "wie brüchig der ökumenische Konsens in ethischen Fragen inzwischen geworden ist". Ähnliche Kritik hatte zuvor der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper geäußert.
Thierse: "Kein Jedermanns-Recht"
Auch der frühere deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Thierse widersprach Meisters Sichtweise. "Als Christ sage ich Ja zur menschlichen Selbstbestimmung, aber Nein dazu, dass der Suizid zum Inbegriff der Selbstbestimmung gemacht wird", so das Mitglied des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK) im Deutschlandfunk.
Thierse entgegnete dem Landesbischof, dass weder die Geburt, noch zu lieben sowie krank zu werden ein "Akt der menschlichen Autonomie" seien. Als Christ begreife er das Leben als ein Geschenk und leite daraus die Verantwortung und "die prinzipielle Unverfügbarkeit" darüber ab. Christen sollten deswegen einer Tendenz widerstehen, Selbsttötung zur "selbstverständlichen Normalität" und zum "Jedermanns-Recht" zu machen.
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte den Paragrafen 217 Strafgesetzbuch für nichtig erklärt und damit das 2015 vom Bundestag beschlossene Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung aufgehoben. Die Richter betonten, es gebe ein umfassendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Darin sei die Freiheit eingeschlossen, auch die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen.
Thierse zum Richterspruch: "Was mich daran wirklich irritiert hat, ist die Heroisierung des Suizids und die Verabsolutierung der Autonomie." Es sei durch das Urteil "ein Anspruchsrecht auf unproblematischen Suizid und die Pflicht des Staates, das zu unterstützen und zu gewähren", entstanden.
Emeritierter Kurienkardinal: Selbstbestimmung nicht von konkreter Lebenssituation loslösen - Wahre Entscheidungsfreiheit nur in "freiheitlichem, fürsorglichem und liebenswertem sozialem Kontext" bei Anerkennung des Lebenswertes gegeben