Auftakt zu Wiener Ringvorlesung über interreligiösen Dialog mit Online-Podiumsdiskussion - Initiatorin Polak: Auf Krisen in Folge der Pandemie mit verstärktem Dialogbemühen antworten - Dekan Pock: Theologie an Universität "nicht mehr im konfessionellen Glaskasten treiben"
Wien, 07.10.2020 (KAP) Theologen der drei abrahamitischen Religionen - Judentum, Christentum und Islam - haben sich für einen intensiveren interreligiösen Dialog ausgesprochen. Einig zeigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Online-Podiumsdiskussion am Dienstagabend in Wien darüber, dass der interreligiöse Dialog als Instrument der Friedenssicherung gerade angesichts der Corona-Pandemie und wachsender Konflikte notwendig sei. Die Wiener Pastoraltheologin Prof. Regina Polak unterstrich etwa, dass es auf der einen Seite in Folge von Corona eine "rasante Verschärfung von Intoleranz, Rassismus, Gewaltübergriffen und Hassverbrechen" u.a. gegenüber religiösen Minderheiten gegeben habe; zugleich würden friedensstiftende Initiativen der Religionen dazu beitragen, die Krise durchzustehen.
An der Podiumsdiskussion nahmen neben Polak u.a. Vizerektorin Christa Schnabl, die Dekane der Katholisch-Theologischen bzw. der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Johann Pock und Wilfried Engemann, sowie Gerhard Langer (Institut für Judaistik), Zekirija Sejdini (Institut für Islamisch-Theologische Studien) und Wolfgang Mayrhofer von der Wirtschaftuniversität Wien teil. Diskutiert wurde dabei u.a. die Frage, welche Aufgaben der Universität innerhalb des interreligiösen Dialogs zukommen können und sollen.
Die Podiumsdiskussion bildete den Auftakt zur heurigen Wiener Ringvorlesung "Judentum - Christentum - Islam. Inter- und transdisziplinäre Perspektiven auf den interreligiösen Dialog der abrahamitischen Religionen". Die bis Jänner konzipierte und online abgehaltene Ringvorlesung versammelt Experten aus Theologie, den Sozialwissenschaften, der Religionswissenschaft sowie der Geschichtswissenschaft, um das Thema aus ihrem jeweiligen Blickwinkel zu reflektieren. Bekannte Referenten der Ringvorlesung sind u.a. die Historiker Walter Pohl und Eleonore Lappin-Eppel, die Theologen Kurt Appel, Zekirija Sejdini und Regina Polak, der Soziologe Karsten Lehmann und der Antisemitismusforscher Andreas Peham.
"Kein theologisches Glasperlenspiel"
Wie Polak in ihrem Eröffnungsstatement unterstrich, würden interreligiöse Dialoginitiativen gerade in Krisenzeiten dazu beitragen, Konfliktpotenziale zu entschärfen und "Freundschaft, Solidarität und politisches Handeln" zu stärken. "Denn solche Initiativen geben vielen Menschen Hoffnung und tragen zum Bewusstsein bei, dass wir die Fülle der aktuellen Krisen nur in menschheitlicher Solidarität und internationaler Kooperation lösen können, über die religiösen und weltanschaulichen Grenzen hinweg", so Polak.
Insofern dürfe auch der universitär beförderte interreligiöse Dialog nicht als "theologisches Glasperlenspiel zwischen Religionsvertretern oder Gelehrten" missverstanden werden, sondern es müsse immer auch seine "eminent politische Dimension" und sein Beitrag zu einem friedlichen Zusammenleben in religiöser Pluralität gesehen werden. Daher könne der interreligiöse Dialog als wichtiges "Instrument der Friedenssicherung in der Gesellschaft" verstanden werden.
Fenzl: "Dialog ist unersetzlich für den Frieden"
Auf den friedensstiftenden Charakter des interreligiösen Dialogs verwies in ihren Grußworten auch die Historikerin und Geschäftsführerin der Kardinal-König-Stiftung, Annemarie Fenzl. Dieser Dialog sei Kardinal Franz König (1905-2004) zeitlebens wichtig gewesen. Aus der Triebfeder der Gottsuche heraus habe der Kardinal "verlässliche Spuren gelegt, denen nachzugehen heute lohnt": Es seien dies Spuren, die erkennen lassen, dass der Religionsdialog "unersetzlich für den Frieden" ist; zudem aber müsse mit Kardinal König unterstrichen werden, dass dieser Frieden auch mit einem "Frieden im inneren der Religionen" einhergehen müsse. "Nur eine einige Christenheit kann glaubwürdig in den Dialog mit anderen Religionen eintreten", so Fenzl.
Gegen eine "Theologie im konfessionellen Glaskasten" sprach sich auch der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, Prof. Johann Pock, aus. Die aktuellen weltweiten Krisen - von der Corona-Pandemie über die Klimakrise bis zur Flüchtlingsfrage - verlangten nach einem "Zusammenwirken möglichst vieler Kräfte", wozu eben auch die Religionen zählten. Schließlich gehe es buchstäblich ums Überleben. Die Katholisch-Theologische Fakultät nehme diese Herausforderung ernst und an, so Pock weiter, etwa in Form von Einführungsveranstaltungen in Judentum und Islam, in Form des Instituts für Religionswissenschaft, Exkursionen und interreligiösen Begegnungen.
Der Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Prof. Wilfried Engemann, betonte seinerseits, dass ein Fortschreiten im Dialog der Religionen voraussichtlich dann am erfolgreichsten sei, wenn man sich stärker als bisher "anthropologisch ansetzt" und auf die "gemeinsamen Grundlagen verständigt, statt über konfessionelle Dinge und Wahrheitsansprüche zu diskutieren". Schließlich seien Religionen nicht in erster Linie Gegenstand konfessioneller Streitigkeiten, sondern schlichtweg "Lebensäußerungen von Menschen - und zwar im Dienst der Freiheit des Menschen", so Engemann. Aufgabe der Theologie sei es, diese Lebensäußerungen "kritisch-konstruktiv zu begleiten".
Schnabl: "Keine genuine Aufgabe der Uni"
Zurückhaltender im Blick auf die Frage nach der Aufgabe der Universität bzw. der Fakultäten innerhalb des interreligiösen Dialogs zeigte sich die Wiener Vizerektorin, Prof. Christa Schnabl. "Der interreligiöse Dialog ist keine genuine Aufgabe der Universität", brachte Schnabl dies auf den Punkt - sie fügte jedoch hinzu: "Aber durch das, was die Uni ausmacht, ist sie natürlich ein Ort, der prädestiniert ist für den interreligiösen Dialog".
Das Verhältnis müsse daher "dialektisch" gedacht werden, insofern es das Wesen universitären Forschens und Lehrens sei, "Wissen zu erzeugen und weiterzugeben" und dabei auf Verstehen und Verständnis beim anderen zu drängen. Schon allein diese Durchdringung von Dialog und Verstehen mache die Universität zu einem Ort, an dem auch der Dialog der Religionen einen Platz finde. Zugleich rief Schnabl dazu auf, auch den Dialog mit "säkularistischen oder atheistischen Positionen" zu suchen. Ein rein theologischer Zugang trage die Gefahr der Verkürzung in sich, mahnte die Vizerektorin.
Ihre Wertschätzung für den interreligiösen Dialog und dessen Verortung an der Universität unterstrichen indes auch Prof. Gerhard Langer vom Institut für Judaistik sowie Prof. Zekirija Sejdini vom Wiener Institut für Islamisch-Theologische Studien. Weltweit habe die Corona-Pandemie zu neuen Dialoginitiativen auch im Judentum geführt, berichtete Langer. Ein klassischer theologischer Zugang zum interreligiösen Dialog gestalte sich im Blick auf das Judentum allerdings als schwierig, da das Judentum nicht allein eine Religion, sondern eine ethnische Gemeinschaft darstelle und ein breites religiöses Spektrum kenne mit sehr unterschiedlichen Haltungen zum Dialog. Um so wichtiger sei es, diese an einem wissenschaftlichen Institut an der Universität zu reflektieren.
Sejdini betonte seinerseits die Bedeutung der Selbstreflektion und des kritischen Zugangs zur je eigenen Religion. Die Universität fördere den interreligiösen Dialog insofern, als sie einen Ort für einen solchen reflektierten und selbstkritischen Zugang zur eigenen Religion schaffe. "Ein reflektierter Zugang zur eigenen Religion ist die Voraussetzung für einen wertschätzenden, die Pluralität achtenden Dialog mit anderen Religionen", so Sejdini.
Prof. Wolfgang Mayrhofer berichtete seinerseits von den Lerneffekten, die die Einrichtung eines eigenen Raumes der Stille ("Silent Room") an der Wirtschaftsuniversität Wien mit sich gebracht habe. Dabei gehe es weniger um die Schaffung eines Ortes des Dialogs als vielmehr der offenen Begegnung. Er symbolisiere schließlich, "dass die WU ein Ort ist, an dem Mitarbeitende und Studierende als ganze Menschen sein können, über berufliche und professionelle Rollen hinaus", wie es in der Beschreibung des Projekts auf der Website der WU heißt.
Abschluss mit Experten-Podium im Jänner
Die Ringvorlesung ist ein Kooperationsprojekt der Katholisch-Theologischen Fakultät, der Evangelisch-Theologischen Fakultät, dem Institut für Judaistik und dem Institut für Islamisch-Theologische Studien sowie dem Forschungszentrum "Religion and Transformation in Contemporary Society" und der Kardinal-König-Stiftung. Zum Abschluss der Ringvorlesung ist Ende Jänner 2021 eine Podiumsdiskussion unter dem Titel "Interreligiöser Dialog im (religions-)politischen Kontext" u.a. mit Spitzenvertretern aus den Kirchen und Religionsgemeinschaften geplant.
Schwerpunkt der theologischen Fakultäten soll interdisziplinäre Perspektiven auf Dialog zwischen Judentum, Christentum und Islam eröffnen - Zentrale Ringvorlesung findet coronabedingt online statt