In "Wage zu träumen!" entwirft Papst Vision für "Post-Covid-Welt" - Auch Blick auf bisherige Amtszeit samt Erklärung, warum ihm Arme und gesellschaftliche Veränderungen wichtig sind
München/Vatikanstadt, 04.12.2020 (KAP/KNA) Unter dem Titel "Wage zu träumen!" ist das neue Buch von Papst Franziskus nun auch auf Deutsch herausgekommen. Zuvor war es bereits in anderen Sprachen, unter anderem auf Englisch, erschienen. In dem Werk verweist das Oberhaupt der katholischen Kirche darauf, dass die Corona-Krise die großen gesellschaftlichen Probleme wie ein Brennglas verdeutlicht habe. Wirtschaftliche Ungleichheit, Existenzängste und die Sorgen um die Gesundheit bestimmten das tägliche Denken. Der Papst fordert deshalb ein Umdenken in der Welt nach Corona. Zugleich stellt er aber auch eine große Kreativität bei den Menschen und in der Kirche fest, um mit dieser globalen Krise umzugehen.
Scharfe Kritik übt Franziskus in dem auf Deutsch im Münchner Kösel-Verlag erschienenen Buch an jenen Systemen und Ideologien, die zur Entstehung der Krise beigetragen hätten. Verantwortlich sind seiner Ansicht nach unter anderem die globale Wirtschaft, aber auch Politiker, die Angst schürten, nur um ihre eigene Macht zu festigen. Im Zusammenhang mit der Pandemie würdigt er, ohne Namen zu nennen, Regierungen, die große Anstrengungen unternommen hätten, um das Wohlergehen ihrer Bevölkerung an erste Stelle zu setzen. Allerdings habe es auch solche gegeben, "die den schmerzhaften Beweis ansteigender Todeszahlen achselzuckend ignoriert haben, und das mit unausweichlichen und schweren Konsequenzen".
Auch auf Proteste gegen Corona-Auflagen kommt Franziskus zu sprechen. Es ist eine Haltung, die er als rücksichtslos brandmarkt - als bedeuteten die Maßnahmen gegen die Pandemie "eine Art von politischem Angriff auf die Autonomie oder persönliche Freiheit".
Für den Papst gibt es kein Zurück zur Normalität vor der Pandemie. Er fordert eine Neuausrichtung der Gesellschaft und erklärt, warum die Menschen diese sicherer und gerechter gestalten müssten. Der Blick auf die Welt werde klarer, wenn sie von der Peripherie aus gesehen werde. Deshalb stellt er die Armen und "unseren Planeten" in den Mittelpunkt seines Denkens. Franziskus stützt sich auch auf die Erkenntnisse renommierter Wissenschaftler, Ökonomen und Aktivisten. Sein Credo: "Mit offenem Herzen und einem Blick zu den Armen können wir die Welt zu einer besseren verändern! Und so kann auch die persönliche Suche nach dem eigenen Lebenssinn gelingen."
Frauen in der Kirche
Auch eine Bilanz seiner bisherigen Amtszeit zieht der Papst in dem neuen Buch. Er erzählt, wie nach und nach sein ökologisches Bewusstsein gewachsen ist, was er unter einer "synodalen Kirche" versteht und wie wichtig für ihn Frauen in der Kirche sind. So lobt er das "frische Denken" von Wirtschaftswissenschaftlerinnen, die die Mängel der vorherrschenden Modelle erkannt hätten. Und in kirchlichen Einrichtungen seien einige der "nützlichsten Ratschläge" von Frauen gekommen, die dort mittlerweile höhere Ämter bekleideten.
Dass qualifizierte Frauen gleichberechtigten Zugang zu Leitungsverantwortung bekommen und genauso bezahlt werden müssten wie Männer, ist für den Papst selbstverständlich. Danach strebt er auch in der Kurie. Die Öffnung des Priesteramts gehört für ihn nicht dazu. Aber er verweist auf Amazonien. Dort würden Frauen - Laien wie Ordensfrauen - ganze Kirchengemeinden leiten: "Zu sagen, dass sie nicht wirklich Leitung seien, weil sie keine Priester seien, ist Klerikalismus und respektlos."
Innsbrucker Historiker lehrreiche Lektüre
Auch einen Österreich-Bezug gibt in dem neuen Papst-Buch. Franziskus verweist nämlich darauf, dass die 16-bändige "Geschichte der Päpste" von Ludwig von Pastor (1854-1928) eine lehrreiche Lektüre für sein Amt gewesen ist. "Wenn Du einmal diese Papst-Geschichte kennst, dann kann dich wenig von dem, was im Vatikan und der Kirche heute passiert, noch schockieren. Es hat mir sehr geholfen!", schreibt Franziskus.
Alle 37 Bände des österreichischen Historikers, der ab 1901 neben seiner Professur in Innsbruck auch Direktor des Österreichischen Historischen Instituts in Rom war, las Jorge Mario Bergoglio demnach in den Jahren von 1990 bis 1992 im argentinischen Cordoba. Dorthin hatte ihn der Jesuitenorden geschickt, nachdem er zuvor Provinzial und Rektor eines Studienhauses gewesen war. Der Papst selbst bezeichnet diese Phase als eine Zeit der "Selbstisolation", in der er lernen musste, sein Leben neu zu leben. Damals sei er vom Fußballfeld genommen und auf die "Ersatzbank" gesetzt worden.