Irak: Militärbischof Freistetter in den Trümmern von Mossul
02.09.202210:29
Irak/Österreich/Kirche/Krieg/Freistetter/ICO
Solidaritätsbesuch einer Delegation der "Initiative Christlicher Orient" beim chaldäischen Erzbischof von Mossul, Michael Najeeb Moussa
Mossul, 02.09.2022 (KAP) Mit der Eroberung Mossuls durch die Terrormiliz IS wurde die christliche Präsenz in der Millionenstadt am Tigris im Jahr 2014 ausgelöscht. Seit der Rückeroberung der Stadt vor rund fünf Jahren ist erst eine Handvoll Christen zurückgekommen; mit ihnen auch der chaldäische Erzbischof Michael Najeeb Moussa. Militärbischof Werner Freistetter hat ihm mit einer kleinen Delegation der "Initiative Christlicher Orient" (ICO) am Donnerstag einen Solidaritätsbesuch abgestattet und den Christen Mossuls Mut zugesprochen. Begleitet wurde Bischof Freistetter u.a. vom Linzer Generaldechant und ICO-Obmann Slawomir Dadas.
Freistetter und Dadas besuchten gemeinsam mit Moussa u.a. die zerstörte Georgskirche, die vom IS als Werkstatt zum Bau von Bomben missbraucht wurde. In der Altstadt von Mossul besichtigten sie das zerstöre alte chaldäische Patriarchat und auch jenen Platz inmitten mehrerer zerstörter Kirchen, den Papst Franziskus bei seinem Besuch in Mossul im März 2021 aufgesucht hatte. Die Bischöfe beteten für den Frieden im Irak und ein gutes Zusammenleben aller Religionsgemeinschaften.
Erzbischof Moussa verwies im Gespräch mit der Delegation aus Österreich auf die große christliche Tradition Mossuls. Noch im 17. und 18. Jahrhundert sei die Mehrheit der Bevölkerung christlich gewesen. 2014 mussten die letzten Christen vor dem IS aus der Stadt fliehen, um ihr Leben zu retten. Seit der militärischen Rückeroberung Mosuls seien erst 50 christliche Familien in die Millionenstadt zurückgekehrt. Mit westlicher Hilfe konnte der Erzbischof die chaldäische Pauluskirche renovieren, wo er inzwischen auch seinen Bischofssitz hat. Die ersten zweieinhalb Jahre musste er außerhalb Mossuls schlafen.
Alle 35 Kirchen Mossuls wurden vom IS zerstört bzw. bei der Rückeroberung dem Boden gleich gemacht. Neben der Pauluskirche wurden inzwischen zwei weitere syrisch-katholische Kirchen renoviert sowie in Teilen das chaldäische Georgskloster, eines der großen spirituellen Zentren der Kirche in vergangenen besseren Jahren.
Erzbischof Moussa setzt sich dafür ein, dass die Christen bei der Renovierung ihrer verwüsteten Häuser Hilfe bekommen und er möchte noch viele weitere Kirchen wieder aufbauen, wie er sagte. - Als Zeichen der Hoffnung für die Christen. Er hoffe sehr, so Moussa, dass bald weitere Christen in ihre Heimat zurückkehren. Derzeit sei Mossul auch eine der sichersten Städte des Irak, zumindest angesichts der gewaltsamen Ausschreitungen in den letzten Tagen in Bagdad und vielen weiteren Städten des Landes. In Mossul sei es ruhig geblieben.
Moussa ortete zumindest Ansätze, dass die muslimische Mehrheit aus der IS-Zeit gelernt habe. Auch viele Muslime seien von den Fanatikern und Terroristen ermordet worden. Derzeit seien jedenfalls die Predigten in den Moscheen wesentlich gemäßigter als früher.
Auch der Besuch des Papstes und seine Friedensmission habe auf viele Menschen im Land großen Einfluss gehabt, so der Erzbischof: "Als der Papst die Zerstörung in Mossul gesehen hat, hat er geweint. Wir hoffen sehr, dass seine Friedensbotschaft nachhaltig wirken wird."
Der Erzbischof räumte freilich ein, dass die muslimische Mentalität, wonach Christen nur Menschen zweiter Klasse sind, noch lange nicht völlig überwunden sei. Auch der IS bestehe nach wie vor. "Es gibt immer noch IS-Schläferzellen. Wahrscheinlich nicht innerhalb der Stadt, aber im Umland", so Erzbischof Moussa.
Besuch in Kurdistan
Die Irakreise von Papst Franziskus war auch ein wichtiges Gesprächsthema beim Besuch der Österreich-Delegation in der Kleinstadt Mangesh in der Autonomen Region Kurdistan. Der örtliche Pfarrer Imad Gargees hatte als persönlicher Dolmetscher von Franziskus das gesamte Papstprogramm hautnah miterlebt. Papst Franziskus habe dem irakischen Volk mit seinem Besuch einen großen Dienst erwiesen, zeigte sich der Priester überzeugt. Die Worte des Papstes über Frieden und Versöhnung seien gleichermaßen ein Auftrag für die Politik wie auch die Religionen, sagte Gargees.
Eine weitere Station der ICO-Delegation war die Kleinstadt Enishke in Kurdistan. Die örtliche Pfarre wird seit vielen Jahren von der ICO unterstützt, u.a. bei der Errichtung eines Pastoralzentrums, eines Kindergratens und bei der Durchführung zahlreicher humanitärer Hilfsprogramme. In den Jahren nach der Eroberung Mosuls und der Ninive-Ebene durch den IS beherbergte die Pfarre tausende christliche, jesidische und muslimische Flüchtlingsfamilien. Über die ICO hat die Pfarre auch mehrmals Corona-Soforthilfe geleistet und versorgt im Winter die ärmsten Familien mit Heizöl.
Der Pfarrer von Enishke, Samir Youssif, möchte den Kindergarten um eine zweite Etage aufstocken und einen Kleinbus einsetzen, um noch mehr Kindern den Besuch des Kindergartens zu ermöglichen, wie er bei einem Lokalaugenschein sagte. Youssifs Pläne gehen freilich noch weiter. Er möchte eine kirchliche Schule für die ganze Region schaffen.
Enishke ist auch schon seit längerem mit der Wiener Pfarre Ober St. Veit durch eine von der ICO initiierte Pfarrpartnerschaft besonders verbunden. Dank der Unterstützung aus Wien konnten zahlreiche Jugendliche aus der Pfarre ein Studium absolvieren bzw. sind immer noch dabei. Auch mit diesen Studentinnen und Studenten traf die Delegation zusammen. Bischof Freistetter ermutigte die jungen Frauen und Männer, sich für den Wiederaufbau ihrer Heimat einzusetzen.
Die "Initiative Christlicher Orient" unterstützt seit mehr als 30 Jahren die Christen im Orient. Seit rund 20 Jahren ist das Hilfswerk im Irak aktiv. Bischof Freistetter ist in der Österreichischen Bischofskonferenz als Referatsbischof für Weltkirche auch für die kirchlichen Hilfswerke zuständig, die in aller Welt aktiv sind; so auch die ICO.