Linzer Bischof bei Gottesdienst in Mariendom: "Alles an Jesus war jüdisch" - Steigender Antisemitismus verlangt nach erhöhter Wachsamkeit
Linz, 03.02.2025 (KAP) Jesus von Nazareth war nicht nur seiner biologischen Herkunft nach Jude, sondern auch im Blick auf sein geistiges und religiöses Leben: Daran gilt es dem Linzer Bischof Manfred Scheuer zufolge aus christlicher Sicht immer wieder zu erinnern. "Seine Auffassung vom Leben, seine Beziehung zu Gott, sein Gott, sein Bild vom Menschen, seine Vorstellung vom Gang der Zeit, sein Beten, seine Haltung zum Gesetz, seine Lebensart, alles an ihm war jüdisch. Seine Leidenschaft für ein neues Verhältnis zu Gott, seine Innigkeit zum Vater, das Neue, das er bringt, kommt nicht von außerhalb, sondern aus dem Judentum selbst", sagte Scheuer bei einem Gottesdienst am Sonntag im Linzer Mariendom zum Fest "Darstellung des Herrn" (früher: Mariä Lichtmess).
Jesus sei insofern für Christen "nicht ohne sein Judentum zu haben". Jede Form einer Abstraktion Jesu von seiner Herkunft sei eine unzulässige Verkürzung. "Wir müssen ihn aus seiner allgemeinen, vom Judentum gesäuberten Menschlichkeit zurückkehren lassen in sein Volk, zu seinem Charakter und seinem Gesicht, das er haben wollte." Nur so bleibe Jesus "in der Mitte" von Judentum und Christentum und könne letztlich zum Mittler, zum "Prophet der Versöhnung" und zum "Medium des Verstehens" werden, ohne bleibende Unterschiede zu nivellieren.
Zugleich warnte Scheuer vor einem weiter steigenden Antisemitismus in Europa. Es gelte, "wachsam zu sein für den Anstieg antisemitischer Straftaten und Gewalttagen in den letzten Jahren". Der Widerstand gegen den Antisemitismus gehöre in Deutschland und Österreich zwar "zur Staatsraison", dennoch würden sich immer mehr Juden in Europa allein gelassen fühlen. Dagegen gelte es, auf eine "anamnetische Kultur" hinzuwirken, in der das Gedenken der Opfer nicht in Apathie oder Fühllosigkeit münde, sondern leidempfindlich bleibe, so Scheuer. "Eine leere Toleranz, eine hohle Liberalität, eine oberflächliche Gleichgültigkeit, eine narzisstische Achtlosigkeit ... all diese Fehlhaltungen sind Analphabeten in der Sprache der Empathie." Wahre Solidarität erwachse hingegen der "Berührung mit der Not und dem Elend" der anderen.