Schon drei Päpste aus Afrika - und fünf aus Syrien
03.05.202510:36
Vatikan/Religion/Papst/Geschichte
Die Antike und das Frühmittelalter hatten in Sachen Vielfalt einiges zu bieten - Hintergrundbericht von Alexander Brüggemann
Vatikanstadt, 03.05.2025 (KAP/KNA) Na klar werden sie am Mittwoch (7. Mai) zur Papstwahl ins Rennen geschickt: der Ghanaer Peter Turkson (76), der Kongolese Fridolin Ambongo Mesungu (65), der Zentralafrikaner Dieudonné Nzapalainga (58). Selbst der Spanier Cristobal Lopez Romero (72) als Erzbischof von Rabat/Marokko oder der Marseiller Jean-Marc Aveline (66) als in Algerien Geborener wären als Mittelmeer-Anrainer zumindest ein stückweit Afrika.
Ein Papst aus Afrika - dafür sei die Zeit längst reif, gab schon Benedikt XVI. (2005-2013) zu Protokoll. Schließlich stellt der Kontinent mit offiziell rund 280 Millionen Katholiken ein Fünftel der Weltkirche von geschätzt 1,4 Milliarden - Tendenz stark wachsend und zudem mit starker Religiosität. Allerdings: Historiker müssen dem Superlativ der Erstmaligkeit widersprechen - denn es ist kirchenpolitisch motiviert und eben nicht historisch. Ebenso übrigens wie die Rede von Franziskus als erstem Papst, der nicht aus Europa kam.
Natürlich: Zwischen der Epoche von neuzeitlicher Missionierung, christlich geprägtem Kolonialismus und heutiger Emanzipation einerseits und einer christlichen Vergangenheit Afrikas in der mittelmeerischen Antike andererseits liegen weit mehr als 1.000 Jahre. Weit mehr als 1.000 Jahre, seit der Islam den Osten und den Süden des Mittelmeerraums und damit auch die Wiege des Christentums im Sturm eroberte.
Bis zu diesem buchstäblichen Kulturbruch - das Mittelmeer war bis dato viel mehr als heute ein Kosmos, ein gemeinsamer Kulturraum - gab es mutmaßlich fünf Syrer als Bischöfe von Rom; und womöglich, nicht unwahrscheinlich, auch drei aus der römischen Provinz Afrika. Immer mit der Einschränkung, dass die Quellen aus dieser Epoche keineswegs sattelfest sind.
Der erste Papst aus Syrien - und elfte Papst in der offiziellen Liste - war der heilige Anicetus (ca. 155-166). Er wurde im syrischen Emesa geboren, dem heutigen Homs. Laut Irenäus von Lyon bestätigte Anicetus die Feier des Osterfestes an Sonntagen endgültig. Im Liber Pontificalis heißt es zudem, dass Anicetus den Priestern verboten habe, lange Haare zu tragen; vielleicht um sie von gnostischen Häretikern unterscheidbar zu machen.
Der früheste Papst, der wohl aus Nordafrika stammte, war der heilige Viktor I. (ca. 189-199). In dieser Zeit großer theologischer Kontroversen innerhalb der noch jungen Kirche setzte sich Viktor dafür ein, dass Ostern von allen Christen überall am selben Tag gefeiert wird - ein Thema, das auch gerade wieder in der Ökumene heiß diskutiert wird.
Miltiades (310-314), auch bekannt als Melchiades der Afrikaner, war der 32. der Päpste; auch seine afrikanische Herkunft ist nicht letztgültig festzumachen. In seine Amtszeit fiel das Edikt von Mailand, mit dem Kaiser Konstantin 313 allen Christen im Römischen Reich religiöse Toleranz gewährte. Als Bischof von Rom trug Miltiades zur (römisch geprägten) Neuorganisation der Kirche nach Jahrhunderten der Verfolgung bei.
Der heilige Gelasius I. (492-496) war womöglich ein Berber aus Nordafrika. So schreibt es zumindest der (freilich nicht zuverlässige) Liber Pontificalis. Gelasius selbst bezeichnete sich als "Romanus natus" - was sowohl "römischer Abstammung" als auch "dem Römischen Reich angehörig" bedeuten kann. Im Sinne der Zweigewaltenlehre bekräftigte Gelasius I. die Autorität des Papsttums; gegenüber dem untergehenden Kaisertum im Westen wie auch dem im Osten.
Gelasius gilt auch als Erfinder des Valentinstages (14. Februar), den er 496 zu Ehren des christlichen Märtyrers Valentin einführte. Seinen heidnischen Ursprung hat der Tag in den Lupercalien, einem römischen Fruchtbarkeitsfest.
Die Frage, wie Päpste aus Nordafrika wohl aussahen, ist heute unmöglich zu beantworten - wo schon die Herkunft selbst historisch umstritten bleiben muss. Fest steht aber, dass sich die Region in der römischen Spätantike äußerst multikulturell darstellte: zwischen vielen angestammten Ethnien und Zugezogenen aus dem ganzen Reich.
685 wurde mit Johannes V. wieder ein Syrer Papst; geboren wohl in Antiochia, heute Antakya in der Türkei, einer Stadt mit urchristlicher Tradition. Griechischsprachig, war seine einjährige Amtszeit zwar kurz, aber politisch durchaus erfolgreich: Johannes V. konnte Rom vorläufig mit Byzanz versöhnen und Roms kirchlichen Anspruch auf Sardinien sichern.
687 wurde der heilige Sergius I. Papst. In Palermo als Sohn einer syrischen Emigrantenfamilie geboren und aufgewachsen, soll er in seiner 14-jährigen Amtszeit (gest. 701) das Agnus Dei in die katholische Messfeier eingeführt haben. Offenbar zeigte er sich auch widerständig, die kirchlichen Anordnungen des byzantinischen Kaisers Justinian II. durch die Trullanische Synode 691/92 für Rom zu akzeptieren.
Der Syrer Sisinnius (708) war ein Papst der 20 Tage; direkt gefolgt von Konstantin I. (708-715) aus Tyros (heute Libanon, damals Teil des syrischen Raschidun-Kalifats). Historiker hielten die beiden sogar für Brüder. Konstantin I. war 710/11 - bis zu Paul VI. 1967 - der letzte Papst, der Konstantinopel besuchte; und zwar auf Befehl des dortigen Kaisers Justinian II.
Wie wohl auch mehrere der anderen Syrer wird auch Konstantin unter anderem mit der Trumpfkarte Griechisch Papst geworden sein. Seine Sprachkenntnisse machten ihn, anders als die im Griechischen holprigen Lateiner, am byzantinischen Hof verhandlungs- und satisfaktionsfähig.
Massiv bedrängte dann der nachfolgende Kaiser Philippikos Bardanes den Papst, in Rom den Monotheletismus einzuführen - eine als Häresie verurteilte Lehre über die zwei Naturen Christi. Ein von Konstantin beordertes Priesterheer verteidigte die Stadt gegen die militanten kaiserlichen Truppen.
Der letzte in der Liste der syrischen Päpste ist der heilige Gregor III. (731-741). Per Akklamation zum Bischof von Rom erklärt, gab es bald auch unter ihm ein tiefes Zerwürfnis mit Byzanz. Im sogenannten Bilderstreit exkommunizierte Gregor den Kaiser - der daraufhin Süditalien und den heutigen Westbalkan kirchlich konfiszierte und dem Patriarchat von Konstantinopel zuschlug. Gregor brach daraufhin den Kontakt nach Byzanz ab.
Zugleich drangen die Langobarden in Italien weiter vor. Das brachte den Papst fortan in größere Nähe zum Frankenreich. Der "Apostel der Deutschen", Winfrid-Bonifatius, wurde von ihm zum Erzbischof und päpstlichen Legaten für Germanien ernannt. Nach dem Tod des "letzten Syrers" Gregor III., der an allzu vielen Fronten kämpfen musste, dauerte es dann mehr als 1.250 Jahre, bis mit Franziskus 2013 wieder ein gebürtiger Nichteuropäer den Stuhl Petri bestieg.