Eine Papstwahl im Schatten der Missbrauchs-Skandale
06.05.202515:59
Vatikan/Kirche/Papst/Wahl/Vorkonklave
Mögliche Schwächen der Kandidaten beeinflussen das Konklave - Hintergrundbericht von Kathpress-Korrespondent Ludwig Ring-Eifel
Vatikanstadt, 06.05.2025 (KAP) Bei der Papstwahl in dieser Woche spielt der lange Zeit zögerliche Umgang von Bischöfen mit Fällen von sexuellem Missbrauch im Klerus eine wichtige Rolle. Das wurde bereits im sogenannten Vorkonklave deutlich. In mindestens zwei der zwölf Kardinals-Versammlungen im Vatikan wurde über das leidige Thema gesprochen.
Die Skandale seien dort als ein Hindernis für die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Botschaft explizit benannt worden, hieß es. Vergleichbares hat es noch vor keinem anderen Konklave gegeben - und das, obwohl die kirchlichen Missbrauchsskandale bereits im Vorfeld der Papstwahlen von 2005 und 2013 viele Kirchenmitglieder verunsicherten.
Internetportale schaffen neue Transparenz
Dass diesmal auch die Kardinäle das Thema offen benennen, hat mehrere Ursachen. Vereinigungen von Missbrauchsbetroffenen wie die aus den USA kommende Organisation SNAP (Survivors Network of Those Abused by Priests) haben mit Presseerklärungen kurz vor dem Konklave das Thema erneut ins Rampenlicht gerückt.
Auf ihren Webseiten sowie auf Portalen wie bishop-accountability.org sorgen die Betroffenen und ihre Mitstreiter dafür, dass jeder Medienbericht über mutmaßliche Verfehlungen oder Unzulänglichkeiten von Bischöfen im Umgang mit tatverdächtigen Klerikern leicht zugänglich ist. Und diese Seiten können nun auch von den Kardinälen konsultiert werden - sowohl von möglichen Kandidaten als auch von ihren möglichen Wählern.
Erfahrung im Umgang mit Skandal-Berichten
Nach drei Jahrzehnten Missbrauchsskandalen und zahllosen Berichten in den Medien und digitalen Netzwerken haben inzwischen auch viele Kardinäle Erfahrung im Umgang mit Verdachtsberichterstattung. Sie haben gelernt, falschen Alarm und voreilige Beschuldigungen von harten Fakten und Urteilen zu unterscheiden.
Dennoch hat es zunächst für einige Unruhe gesorgt, als die Vereinigung SNAP gleich sechs Kardinäle, darunter einige "Papabili", öffentlich anprangerte. Die Aktivisten erstellten aus bereits bekannten Medienberichten über deren mutmaßliches Versagen im Umgang mit Missbrauchstätern eine "Anzeige". Eine solche kann gemäß dem von Papst Franziskus veränderten Kirchenrecht jedermann abgeben - ob sie nun rechtlich relevant ist oder nicht.
Im Visier der SNAP-Anzeigen standen die Kardinäle Peter Erdö, Victor Fernandez, Mario Grech, Luis Tagle, Robert Prevost und Kevin Farrell. Auf Nachfragen wiesen die derart Angeprangerten die Anschuldigungen umgehend zurück und verwiesen darauf, dass die meisten Fälle längst durch den Tod der Täter oder einschlägige Urteile der vatikanischen Glaubensbehörde erledigt seien.
Auch der oberste Kinderschutzexperte im Vatikan, Jesuitenpater Hans Zollner, beurteilte die Inszenierung von SNAP kritisch. Zugleich erklärte er, dass Missbrauch und die Schaffung sicherer Räume in der Kirche zentrale Themen für den kommenden Papst sein werden. Mit dieser Bemerkung lenkt Zollner den Blick auf die Zukunft. Denn ebenso wichtig wie die Frage, wie sich ein möglicher neuer Papst in seiner Vergangenheit gegenüber Tätern verhalten hat, ist jene, was er in Zukunft als Papst auf diesem Gebiet zu tun verspricht.
Agenda für den nächsten Papst
Zwar haben die Päpste Benedikt XVI. und Franziskus, wie Zollner betont, bereits wichtige Schritte für die Aufarbeitung und für die Prävention von sexuellem Missbrauch unternommen. Vor allem Franziskus hat die Kirchengesetze verschärft und neben der Bestrafung von Tätern auch die von Vertuschern möglich gemacht.
Dennoch bleiben noch viele Lücken, um ein konsequentes Durchgreifen gegen Missbrauch in allen Ländern und Kulturen durchzusetzen. Ein Kandidat, der auf diesem Gebiet Nachlässigkeit oder gar Inkonsequenz erkennen lässt, dürfte beim Konklave schlechte Chancen haben. Wer keinen Zweifel an seinem Willen zum Durchgreifen gegen eine Plage lässt, die nicht nur im deutschsprachigen Raum Menschen aus der Kirche treibt, kann eher Stimmen auf sich vereinen.