Erklärung der evangelischen Kirche A. und H.B. in Österreich: "Versagen in der Vergangenheit ruft in die Verantwortung für die Zukunft"
Wien, 08.05.2025 (KAP) Die Erinnerung an das "Versagen in der Vergangenheit ruft in die Verantwortung für die Zukunft": Das hat die Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich in einer aktuellen Stellungnahme zum Weltkriegsende vor 80 Jahren erklärt. Der 80. Jahrestag der Befreiung von der Diktatur des Nationalsozialismus ist für die Evangelische Kirche Anlass, einmal mehr den unbedingten Einsatz für die Menschenrechte und die Einhaltung des Völkerrechts einzumahnen. Und sich dazu auch selbst zu verpflichten. Zugleich wird die eigene Schuldgeschichte im Blick auf den Nationalsozialismus eingeräumt.
"Die Kirchen haben gegen sichtbares Unrecht nicht protestiert, sie haben geschwiegen und weggeschaut, sie sind 'dem Rad nicht in die Speichen gefallen'", zitiert darin die Evangelische Kirche den protestantischen Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer. Demnach seien sich die Evangelischen Kirchen ihrer "Verstrickungen in die dunkle Zeit der Geschichte Österreichs" bewusst.
Leitende Persönlichkeiten der Kirchen hätten den Nationalsozialismus aktiv befürwortet und kollaboriert. Zarte Ansätze der Kritik hätten kaum Unterstützung gefunden. "Damit haben die Kirchen schwere Schuld auf sich geladen", bekräftigt der Evangelische Oberkirchenrat A.u.H.B., der die Stellungnahme am Mittwoch verabschiedet hat.
"In Scham und Trauer gedenken wir aller Juden und Jüdinnen, Menschen mit Behinderungen, Roma und Sinti, queerer Menschen und anderer Gruppen, die ihrer bürgerlichen Rechte und ihrer Menschenwürde beraubt, der Verfolgung preisgegeben und in Konzentrationslagern ermordet wurden", heißt es weiter in der Erklärung.
Wo in wichtigen Fragen Orientierung an ethischen Grundwerten erforderlich sei, sehe sich die Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich in der Pflicht, Stellung zu nehmen. "So sehen wir es heute als unsere Verpflichtung, für die gleiche Würde aller Menschen und die Menschenrechte einzutreten und mit Nachdruck auf die Bedeutung der Einhaltung des Völkerrechts hinzuweisen", betont die Kirche.
Die Menschenrechte, "geboren aus den Schrecken des Nationalsozialismus, der willkürlich bestimmte Menschengruppen rechtlos gemacht, verfolgt und ermordet hat", seien die Basis gesellschaftlichen Zusammenlebens. "Diese Erfahrungen führten dazu, dass nach dem Ende der Naziherrschaft die Menschenrechte international kodifiziert wurden", so die Evangelische Kirche.
Verletzung des Völkerrechts erfordert Widerspruch
Die Menschenrechte seien der lebendige Ausdruck der Achtung und des Schutzes der gleichen, unantastbaren und unverfügbaren Würde aller Menschen. Es sei mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar, wenn die gleiche Würde aller Menschen geleugnet oder relativiert wird. "Dies ist der Fall bei Ideologien, die 'das Volk' vor das gemeinsame Menschsein stellen, das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft, religiöser Zugehörigkeit und kultureller Prägung ablehnen und die plurale Demokratie durch einen völkischen Nationalismus ersetzen", hält die Evangelische Kirche weiter fest.
Die Barbarei des NS-Regimes habe auch zu der Erkenntnis geführt, "dass es nicht ausreicht, die Grund- und Menschenrechte eines Volkes allein der betreffenden nationalen öffentlichen Gewalt anzuvertrauen", wird in der Erklärung der Rechtswissenschaftler Bardo Fassbender zitiert. Mit Gründung der Vereinten Nationen 1945 sei die Geltung der Menschenrechte im Völkerrecht verankert worden.
"Dass das Völkerrecht an verschiedenen Kriegsschauplätzen mit Füßen getreten wird, erfüllt uns mit Sorge und fordert Widerspruch heraus", unterstreicht die Evangelische Kirche. Es sei die tiefe Hoffnung der Kirche, "dass Österreich seiner Tradition treu bleibt und sich für die Wahrung der Menschenrechte und die Einhaltung des Völkerrechts einsetzt".
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