Innsbrucker Theologe referierte in Wien über "Peter Thiel und der Antichrist" - Verteidigung des Innsbrucker Seminars mit Thiel
Wien, 03.12.2025 (KAP) Mit einem schillernden Namen und einem nicht minder schillernden Titel lockte am Dienstagabend die Wiener Katholisch-Theologische Fakultät zu einem Vortrag: Unter dem Titel "Peter Thiel und der Antichrist" sollte es um den US-Tech-Milliardär und dessen theologische Avancen gehen, die sich in Begriffen wie dem "Antichristen" und dem "Katechon" ("Aufhalter") zeigen. Referent war der aktuell aufgrund seiner fast 30 Jahre währenden persönlichen Beziehung zu Thiel viel gefragt Innsbrucker Theologe und Sozialethiker Wolfgang Palaver. Dass die Frage, warum ein Tech-Milliardär und -Investor ausgerechnet auf eine theologische, noch dazu abseitige Terminologie zurückgreift, zieht, zeigte ein komplett gefüllter Franz-König-Hörsaal in der Wiener Hauptuni und eine rege anschließende Diskussion.
In einem an biografischen Eckdaten und Äußerungen Thiels orientierten Vortrag, der auch Raum für Anekdotisches zu Begegnungen der beiden ließ, zeichnete Palaver das Bild eines durchaus ernsthaft an der intellektuellen Debatte interessierten Mannes und "heterodoxen evangelikalen Christen", dem zugleich durch seinen libertären Hintergrund und seinen Bezug auf die libertäre Vordenkerin Ayn Rand zentrale Inhalte des Christentums unzugänglich bleiben wie etwa die Soziallehre, die Caritas, die Mystik - und selbst die Christologie spielt bei Thiels selektiver Nutzung theologischer Begriffe keine Rolle. Zugleich zeige aber die Irritation, die Thiel unter Theologinnen und Theologen auslöst, dass es höchst an der Zeit sei, sich wieder mit teils jahrzehntelang nicht oder nur stiefmütterlich gelehrten Inhalten wie der Apokalyptik oder eben der Figur des "Antichristen" zu befassen, so Palaver.
Den "Antichristen" sieht Thiel laut Palaver überall dort am Werk, wo sich transnationale Regime zu bilden beginnen, um - unter dem Vorwand von Frieden und Sicherheit - die Unfreiheit zu bringen. Die UN als Vorbotin eines Weltstaates sei für Thiel so eine Kraft - ebenso als "Vorboten des Antichristen" Menschen wie Greta Thunberg, der Transhumanist Nick Bostrom oder der KI-Forscher (und -Kritiker) Eliezer Yudkowsky. Als Gegenprogramm gegen die sich mit diesen Personen und Zielen verbindenden apokalyptische Zukunft setze Thiel auf den "Katechon" - den "Aufhalter", wie er im Zweiten Thessalonicherbrief benannt wird. Als "Aufhalter" erachte Thiel etwa Donald Trump oder den US-Vize James David Vance. Anders gesagt: Mit seinen theologischen Versatzstücken versuche Thiel "sein libertäres Programm zu stützen" und seinen Einfluss auf die US-Politik auszubauen.
Dies theologisch nicht ernst zu nehmen, sei verfehlt, warnte Palaver. Auch wenn Thiel - was dem Wesen des politischen Ideologen entspricht - kein konsistentes Lehrgebäude verfolgt und widersprüchlich bleibe, so lohne der Austausch, weil sich durch theologische Kritik vielleicht manche Einseitigkeit bei Thiel korrigieren lasse, wie Palaver im Blick auf seinen langen diskursiven Austausch ausführte; dazu zähle auch die selektive und kritikwürdige Lesart des französischen Kulturanthropologen René Girard durch Thiel, dessen "Mimetische Theorie" Palaver über Jahrzehnte erforscht und theologisch ausgeleuchtet hat.
Zuletzt hatten Berichte über ein angebliches "geheimes" Seminar mit Peter Thiel an der Universität Innsbruck für Aufsehen und interne Kritik u.a. an der Person Palavers gesorgt. Der "Falter" hatte über das Seminar bereits am 24. September berichtet. Palaver verteidigte das Innsbrucker Seminar. Thiel selbst sei an ihn herangetreten und habe sein Interesse an einem solchen Austausch bekundet. "Und als Wissenschaftler sage ich natürlich nicht nein zu so einem Austausch", so Palaver. Zudem gebe es seitens des Innsbrucker Forschungsprojekts "Dramatische Theologie" ein "Leiden" daran, dass Girards Theorien plötzlich mit der Politik von Trump und Vance in Verbindung gebracht werde. "Da müssen wir Widerstand leisten - und außerdem als Theologinnen und Theologen in die Diskussion über Apokalyptik einsteigen. Denn wenn wir das nicht machen, wird diese Theologie von den Tech-Bros gemacht. Und wer kann das wollen?"
Der Vortrag fand auf Einladung des Fachbereichs Sozialethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien statt. Neben dem Vortrag gab es am Mittwoch (3. Dezember) für Studierende die Möglichkeit, an einem Workshop zum Thema "Politik, Religion und KI-Kapitalismus bei Peter Thiel" mit Wolfgang Palaver teilzunehmen. Die Gesamtkoordination lag beim Wiener Sozialethiker Prof. Alexander Filipovic.
Der österreichische Theologe Wolfgang Palaver kennt den US-Milliardär und Trump-Berater Peter Thiel seit vielen Jahren. Er attestiert dem Unternehmer einen geradezu fanatischen Glauben.