80 Prozent der Anfragen werden von Psychotherapeuten in Ausbildung betreut - Durch erschwerte Anerkennung ihrer Leistung als Praktikumsstunden droht Verlust von 100 Mitarbeitenden jährlich
Salzburg, 05.12.2025 (KAP) Seit 25 Jahren bietet die Salzburger Telefonseelsorge "kids-line" Kindern und Jugendlichen einen geschützten Raum, um anonym und kostenlos über Angst, Trauer, Mobbing oder Einsamkeit zu sprechen. Aufgrund einer Novellierung des österreichischen Psychotherapiegesetzes (PThG 2024) im Vorjahr ist die seelsorgerische Versorgung nun in Gefahr, erklärte Theresa Schimke, Leiterin von kids-line Salzburg, im Interview mit Kathpress am Freitag. Denn den Großteil der professionellen Begleitung in seelischen Krisen leisten zu 80 Prozent Psychotherapeutinnen und -therapeuten in Ausbildung. Nun erschweren die neuen Richtlinien die Anerkennung ihrer Leistungen als Praktikumsstunden für ihre Ausbildung. Damit droht laut kids-line ein Verlust von jährlich rund 100 engagierten Mitarbeitenden.
Für die psychische Unterstützung junger Menschen bedeute das: bis zu 40.000 unbeantwortete Chat-Anfragen, 8.000 Telefonberatungen weniger, längere Wartezeiten und schlichtweg weniger Unterstützung in akuten Krisenmomenten, wie das "Rupertusblatt" (aktuelle Ausgabe) berichtet. "Das wäre ein Rückschritt in der Versorgung psychisch belasteter Kinder und Jugendlicher - gerade jetzt, wo die Zahl seelischer Krisen in dieser Altersgruppe stetig steigt", warnt Schimke. Sie appelliert an die Politik und Verantwortliche im Gesundheits- und Bildungsbereich, die Anerkennung der Praktikumsplätze aufrechtzuerhalten: "Eine Gesetzesänderung, die Kindern und Jugendlichen den Zugang zu psychischer Unterstützung erschwert, ist nichts anderes als ein Rückschritt im Schutz junger Seelen - und ein Verstoß gegen ihre grundlegenden Rechte."
Einbruch bei Bewerbungen
Das neue Psychotherapiegesetz sieht vor, dass Praktikantinnen und Praktikanten ihre Arbeit vor Ort unter Anleitung von mindestens zwei fachlich qualifizierten Personen und unter Supervision leisten müssen. Nur 20 Prozent der Praktikumsstunden dürfen im Homeoffice abgeleistet werden. "Viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen aus anderen Bundesländern und arbeiten daher im Homeoffice und nicht von unserem Büro in Salzburg aus", erläuterte Schimke gegenüber Kathpress. Spätestens im kommenden Jahr, wenn die einjährigen Praktika nach alter Regelung auslaufen, werde die Versorgung junger Menschen mit psychischer Unterstützung vor einem massiven Einbruch stehen.
Erschwerend komme hinzu, dass es die neuen Richtlinien nur noch erlauben, 10 Prozent der Homeoffice-Tätigkeiten fürs Praktikum anrechnen zu lassen. Das Fachspezifikum, der zweite Teil der österreichischen Psychotherapieausbildung nach dem Propädeutikum, schreibt ein klinisches Praktikum von 550 Stunden vor. "Wir haben die Sondergenehmigung erhalten, dass 20 Prozent der Homeoffice-Tätigkeiten angerechnet werden können. Doch die Frage ist, wer bewirbt sich aus den anderen Bundesländern für ein Praktikum bei uns, wenn ihnen nur 110 Stunden für die Ausbildung angerechnet werden können", beschrieb Schimke die herausfordernde Situation. Schon jetzt sei ein Einbruch bei den Bewerbungen deutlich spürbar.
"Wird unser Angebot eingeschränkt, gefährden wir nicht nur eine bewährte Struktur, sondern die seelische Gesundheit einer ganzen Generation", so Schimke. Im letzten Jahr wurden 75.000 Gespräche von Psychotherapeutinnen und -therapeuten in Ausbildung geführt. "Künftig werden nur noch 20 Prozent der Anfragen abgedeckt werden können", so die Leiterin von kids-line Salzburg.
Suche nach Alternativen
Um das Seelsorgeangebot weiterhin aufrechterhalten zu können, wird nun verstärkt an neuen Strategien gearbeitet. Der Schwerpunkt bei der Ausschreibung von Praktika für Psychotherapeutinnen und -therapeuten in Ausbildung liegt nun in Salzburg, wo die Auszubildenden vor Ort im Büro arbeiten können. Verstärkt wird nun auch nach Bewerberinnen und Bewerbern aus dem Bereich der Lebens- und Sozialberatung, der Pädagogik, Psychologie und Sozialen Arbeit gesucht, für die keine Auflagen wie in der Psychotherapieausbildung gelten. Außerdem arbeite man auch an einer Kooperation mit der österreichweiten Telefonseelsorge, berichtete Schimke. "Wir haben bereits Zusicherungen erhalten, dass uns in den Bundesländern Büromöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, sodass Praktika bei kids-line auch vor Ort wieder möglich werden."