Psychologische Probleme umso häufiger, je jünger der Erstbesitz war - Studien stützen Forderungen nach strengen Altersgrenzen
Wien, 06.12.2025 (KAP) Australien führt ab 10. Dezember eines der strengsten Social-Media-Gesetze weltweit ein: Kinder unter 16 Jahren dürfen dort keine sozialen Netzwerke mehr nutzen. Der Schritt verstärkt die laufende europäische Debatte über digitale Altersgrenzen, wobei sich Österreich für eine restriktive Regelung stark macht. Rückhalt findet ein solcher Zugang durchaus auch durch mahnende Ergebnisse aus der Forschung: Zwei neue wissenschaftliche Analysen, von denen das Wiener Ethikinstitut IMABE auf seiner Internetseite berichtet, geben Hinweise auf deutliche psychische Risiken durch frühe Smartphone- und Internetnutzung.
Einerseits verweist IMABE auf eine internationale Studie des Sapien-Labs-Instituts (2025), das durch Daten von über 100.000 jungen Erwachsenen aufgezeigt hat, dass ein eigener Smartphonezugang vor dem 13. Lebensjahr mit einer deutlich schlechteren psychischen Verfassung im jungen Erwachsenenalter korreliert. In je jüngeren Jahren der Erstbesitz, desto häufiger treten Probleme wie Suizidgedanken, emotionale Instabilität, Aggression oder vermindertes Selbstwertgefühl auf. Bei jungen Frauen sind die Effekte besonders stark: 48 Prozent jener 18- bis 24-jährigen Frauen, die im Alter von fünf bis sechs Jahren ein Smartphone bekamen, berichten von späteren Suizidgedanken.
Als mögliche Gründe sehen die Forschenden vor allem unregulierte Social-Media-Algorithmen, die Kinder viel zu früh mit Vergleichsdruck, sexualisierten Inhalten, extremistischen Ideologien sowie Angst- und Gewaltinhalten konfrontieren. Zudem sei der Inhalt dieser Medien durch die Vorschlags-Strategie primär so designt, dass die aktive Nutzung maximiert wird.
Problematisch ist auch, dass über soziale Medien die Wahrscheinlichkeit für Cybermobbing, sexuelle Ausbeutung im Netz, Konflikte innerhalb der Familie aufgrund von Nutzung und Rückzug ins Digitale sowie Schlafstörungen durch Gaming und nächtliche Nutzung steigt. Kognitive Überlastung und permanente Reizüberflutung führen dazu, dass Empathie und Ruhe fehlen, kein Raum für Langeweile entsteht und die Aufmerksamkeitsspanne reduziert wird. Frühere Studien hatten bereits Entwicklungsveränderungen im Gehirn aufgrund von Smartphonenutzung nachgewiesen.
Angeführt wird in dem IMABE-Bericht zudem eine Meta-Analyse im "Psychological Bulletin" (2025), zu der 117 Studien mit insgesamt 292.739 Kindern zusammengefasst wurden. Dabei bestätigte sich ein weiterer Zusammenhang: Je mehr Bildschirmzeit, desto häufiger entwickeln sich Angst, depressive Symptome, Aggression oder Konzentrationsprobleme. Gleichzeitig greifen Kinder, die bereits unter solchen Belastungen leiden, häufiger zu digitalen Medien, insbesonders zu Videospielen. Die Forschung spricht daher von einer wechselseitigen Verstärkung. Moderate Bildschirmzeiten hingegen zeigen kaum negative Effekte; problematisch sind vor allem lange Nutzung, ungeeignete Inhalte und fehlende Ausgleichsaktivitäten.
Die Studienautoren schlagen aufgrund ihrer Ergebnisse vergleichbare Schutzmaßnahmen wie bei Alkohol, Tabak oder im Straßenverkehr vor, um langfristige Schäden abzuwenden und Eltern beim verantwortungsvollen Umgang ihrer Kinder mit Smartphones zu unterstützen. Dazu gehörten etwa verpflichtende digitale Bildung zu Online-Sicherheit und mentaler Gesundheit, strengere Durchsetzung von Altersgrenzen - etwa Social Media nicht unter 13 Jahren - und klare Anforderungen an Plattformanbieter. Richtlinien sollten zudem nicht nur auf weniger Bildschirmzeit abzielen, sondern stärker die Qualität der Inhalte und den sozialen Kontext der Nutzung berücksichtigen.
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse gewinnt die politische Debatte an Fahrt. In Griechenland ist eine Altersverifikations-App ab 16 Jahren bereits im Einsatz. Auf EU-Ebene setzt sich Österreich - gemeinsam mit Frankreich und Dänemark - für ein Social-Media-Verbot für Unter-14-Jährige ein. Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP) verweist auf den durchschnittlichen Social-Media-Konsum von rund sieben Stunden täglich bei Jugendlichen; er sehe dringenden Handlungsbedarf für europaweit einheitliche Regeln, erklärte er.