In Rom lehrende österreichische Wissenschaftlerin Stoeckl referierte in Salzburg über politische Instrumentalisierung von Religion, Angriffe auf Minderheitenrechte und Demokratie sowie Folgen globaler Kulturkämpfe
Salzburg, 12.12.2025 (KAP) Die transnationale Vernetzung christlich-rechter Bewegungen in Europa, ihre religiösen Bezüge und politischen Strategien standen im Mittelpunkt eines Vortrags der Religionssoziologin Kristina Stoeckl am Donnerstagabend an der Universität Salzburg. "Insbesondere die Rolle der Religion in Gesellschaft und Politik soll aus der Sicht der christlichen Rechten neu verhandelt, die Säkularisierung der Politik rückabgewickelt werden", lautete Stoeckls Analyse. Christlich rechten Akteuren und ihren Netzwerken gehe es dabei nicht um punktuelle politische Einflussnahme, sondern um eine grundlegende Veränderung der liberalen Nachkriegsordnung. Dazu gehöre etwa der Abbau von Minderheitenrechten, eine restriktive Migrationspolitik sowie die Kritik an einer als "zu liberal" wahrgenommenen Amtskirche.
Christlich-rechte Gruppen seien gesamtgesellschaftlich zwar Minderheiten und ihre Überzeugungen sowie Lebensentscheidungen "kaum mehrheitsfähig", ihre politische Wirkung dürfe jedoch nicht unterschätzt werden, resümierte Stoeckl. Der Anti-Liberalismus der christlichen Rechten führe in der politischen Praxis "sofort zu einem Abbau von Minderheitenrechten, von Pluralismus und zu einem Angriff auf die Mehrebenen-Architektur politischer Legitimierung, die die Nachkriegsordnung ausgezeichnet hat".
Das Ziel von "Trumps MAGA-Amerika, Putins Russland, Viktor Orbáns Ungarn und politischen Kampagnen vieler rechter Parteien in Europa" sei eine Rückabwicklung dieser Nachkriegsordnung. Religion sei dabei "zum Teil Werkzeug, zum Teil aber auch mehr, nämlich die Triebfeder", sagte Stoeckl.
Christliche Rechte dürften aber nicht mit den Kirchen gleichgesetzt werden, betonte die in Rom lehrende Wissenschaftlerin. Sie seien eher Minderheiten innerhalb dieser und stellten als solche die etablierten Kirchen als zu liberal infrage oder grenzten sich bewusst von kirchlichen Hierarchien ab.
Ideologie, Institution und Strategie
Die "christliche Rechte" definiere sich aber nicht allein über Inhalte, sondern über das Zusammenspiel von Ideologie, institutioneller Form und politischer Strategie. Ideologisch verbinde die Strömung konservative, christliche Positionen mit Elementen rechtsextremer Weltanschauungen - wie die Ablehnung von Schwangerschaftsabbruch, sexueller und reproduktiver Selbstbestimmung, von Rechten sexueller Minderheiten, die Bevorzugung patriarchaler Familienmodelle, Islamfeindlichkeit sowie die Vorstellung einer christlich definierten Nation.
Wesentlich sei also die institutionelle Ausprägung, nicht die Inhalte, da viele davon auch im christlichen Mainstream vorkämen, meinte Stoeckl. Christlich-rechte Akteure würden etwa als politische Parteien, als einzelne Politikerinnen und Politiker, als Netzwerke von Intellektuellen oder als zivilgesellschaftlich organisierte religiöse Gruppen auftreten. Als Beispiele nannte Stoeckl die Plattform CitizenGo oder die christlich-konservative NGO World Congress of Families.
Lobbying und Engführung
Religion diene christlichen Rechten nicht nur als Identitätsmarker, sondern als politisches Instrument zur Verschiebung demokratischer Spielregeln, erklärte Stoeckl. Dabei würden christlich-rechte Akteure auch Mobilisierungsformen nutzen, die ursprünglich von progressiven Bewegungen entwickelt worden seien, etwa transnationale Vernetzung, professionelles Lobbying, Öffentlichkeitskampagnen oder strategische Klagen vor nationalen und internationalen Gerichten. Die öffentliche Debatte würde dabei häufig auf globale Wertkonflikte sowie Abtreibung oder LGBTIQ+ reduziert. Der Rest der christlichen Soziallehre - wie Armutsbekämpfung oder Gastfreundschaft - und gesellschaftlichen Wirklichkeit werde ausgeblendet, wies Stoeckl hin. Für die christlichen Kirchen bedeutet das Engagement der christlichen Rechte folglich auch "eine gefährliche Engführung der Themen", mahnte die Soziologin.
Der Vortrag fand an der Katholisch-Theologischen Fakultät Salzburg statt und wurde vom Katholischen Akademiker/innenverband (KAV) Salzburg in Kooperation mit dem Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen organisiert. Moderiert wurde der Abend von Heinrich Schmidinger, Vorsitzender des KAV Salzburg.