Diözese Bozen-Brixen eröffnet Stabstelle für Missbrauchs-Aufarbeitung
12.12.202511:09
Italien/Kirche/Missbrauch/Personal
Leiterin Brunner will vor allem Betroffene beteiligen - 32 Meldungen bei Ombudsstelle seit Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens zu Jahresbeginn eingegangen
Bozen, 12.12.2025 (KAP) Die Diözese Bozen-Brixen hat ihre Maßnahmen zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs deutlich ausgeweitet und eine neue Stabsstelle eingerichtet, die seit rund drei Wochen von der Theologin und Sozialarbeiterin Johanna Brunner geleitet wird. Die strukturelle Neuerung folgt einem Missbrauchsbericht, der am 20. Jänner vorgestellt worden war und 24 Fälle sexuellen Missbrauchs durch Kleriker zwischen 1964 und 2023 dokumentiert hatte.
Brunner, die seit 2017 auch das Amt für Ehe und Familie im Bischöflichen Ordinariat leitet, bezeichnete die neue Stelle laut einem Interview in der Tageszeitung "Dolomiten" (Freitag) als Weiterentwicklung bestehender Bemühungen: "Vor mir waren schon viele Menschen in der Diözese mit diesem Thema betraut." Als wichtigste Aufgabe nannte sie die Beteiligung der Betroffenen, da diese ein zentrales Element glaubwürdiger Aufarbeitung sei.
Die neue Stabsstellen-Leiterin sprach von besonderen Hindernissen im Umgang mit sexuellem Missbrauch in kirchlichen Strukturen. Der hierarchische Aufbau erschwere die Klärung von Verantwortlichkeiten. Zugleich wertete Brunner die Entscheidung der Diözese, das Thema zur "Chefsache" zu machen, als wichtiges Signal. Ziel sei es, die Empfehlungen der Kanzlei Westphal-Spilker-Wastl, die den Bericht erstellt hatte, konsequent umzusetzen, um Betroffenen zu vermitteln: "Es tut sich etwas, wir werden gehört."
Die Ombudsstelle der Diözese, die seit 2010 besteht, bleibt laut Brunner ein zentraler Baustein im Umgang mit Betroffenen. Deren Aufgabe bestehe darin, Aussagen ernst zu nehmen, zuzuhören und gemeinsam weitere Schritte zu planen. Brunner wies darauf hin, dass viele Betroffene große Hürden überwinden müssen, ehe sie sich öffnen. "Die Täter-Opfer-Umkehr passiert leider häufig", sagt sie. Dies sei für Betroffene oft die schlimmste Erfahrung, weil sie bestehende Traumata erneut auslöse.
Nach Angaben des Präventionsbeauftragten Gottfried Ugolini sind seit Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens 32 Meldungen bei der Brixener Ombudsstelle eingegangen. Zeiten intensiver medialer Berichterstattung führten erfahrungsgemäß zu einem Anstieg an Kontaktaufnahmen.
Brunner, die auch ausgebildete Traumapädagogin ist, hob im Interview hervor, wie entlastend es für viele Betroffene sei, nach Jahren oder Jahrzehnten erstmals über Erlebtes zu sprechen. Die durchschnittliche Schweigezeit liege bei rund 20 Jahren; häufig seien sieben bis acht vorherige Versuche nötig, bevor ein erstes offenes Gespräch möglich werde. Die neue Stabsstelle soll diesen Prozessen mehr Stabilität geben und Verantwortlichkeiten klarer zuordnen.