Theologe: "Als Kirche müssen wir konservativ und progressiv sein"
13.12.202509:34
Österreich/Kirche/Wissenschaft/Theologie/Konzil
Dogmatiker Körner: Zweites Vatikanisches Konzil bleibt maßgeblich für Kirche von heute
Klagenfurt/Graz, 13.12.2025 (KAP) 60 Jahre nach Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) hat der Grazer Dogmatiker Bernhard Körner die Bedeutung der Kirchenversammlung für Gegenwart und Zukunft der Kirche betont. Das Konzil habe zwar ohne konkrete dogmatische Streitfrage stattgefunden, sei aber dennoch von höchster lehramtlicher Autorität und präge bis dato das Selbstverständnis der Kirche, erklärte der emeritierte Universitätsprofessor im Interview der Kärntner Kirchenzeitung Sonntag (Ausgabe 14. Dezember). Für die Gegenwart sieht Körner im Konzil vor allem eine Einladung zur Glaubensvertiefung; er warnt aber auch vor einer Entleerung zentraler Glaubensinhalte: dass das Konzil die Eucharistie als "Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens" bezeichnet habe, müsse wieder stärker ins Bewusstsein rücken.
"Wir sind oft abgelenkt durch andere Fragen, die auch nicht unwichtig sind. Doch zuerst muss der Glaube vertieft werden, ansonsten bringen alle Diskussionen um strukturelle Reformen nichts", meinte der Theologe auf die Frage nach dem Zustand der Kirche.
Ein Drittes Vatikanisches Konzil hält er aus praktischen Gründen für unwahrscheinlich. Angesichts von heute mehr als 4.000 Bischöfen und einer stark gewachsenen Komplexität kirchlicher Prozesse seien andere Formen der Beratung geeigneter. "Ich denke, dass das Modell der durch Laien erweiterten Bischofssynoden von Papst Franziskus für die heutige Zeit ein sehr viel besseres ist", sagte Körner, langjähriger Konsultor der vatikanischen Bildungsbehörde und Mitglied der Päpstlichen Akademie für Theologie.
Kritik an der Verbindlichkeit des Zweiten Vatikanums wies der Theologe zurück. Auch wenn es nicht zur Klärung einzelner Lehrstreitigkeiten einberufen worden sei - wie beim Konzil von Nicäa (Nizäa) vor 1.700 Jahren - habe es dogmatisches Gewicht. Ein vom Papst approbiertes Konzil bilde gemeinsam mit ihm die höchste Lehrgewalt der Kirche. Eine pauschale Ablehnung neuer Entwicklungen sei ebenso wenig legitim wie ein Bruch mit der Tradition. "Als Kirche müssen wir konservativ und progressiv sein: Wir dürfen weder sagen, dass alles von früher Blödsinn war, noch, dass jeder neue Gedanke abzulehnen ist", so Körner wörtlich.
Papst Johannes XXIII. habe das Konzil 1959 überraschend angekündigt, erinnerte Körner an den Beginn der Kirchenversammlung. Hintergrund seien sowohl das unvollendet gebliebene Erste Vatikanische Konzil als auch geistliche Erneuerungsbewegungen wie die liturgische und die bibeltheologische Bewegung gewesen. Die Konzilsväter hätten sich an der Frage nach der Kirche in der Welt von heute - "wer sie ist, was sie sagen und was sie tun will" - abgearbeitet. "Franz König hat am Ende der Versammlung gesagt, dass sie eigentlich nur eine einzige Frage beantworten musste, nämlich die Frage: Kirche, was sagst du über dich selbst? Das hat die Kirche in den 16 Dokumenten getan", führte Körner Ziel und Anspruch des Konzils aus.
Insgesamt verabschiedeten rund 2.800 Bischöfe 16 Dokumente. Besonders hervor hob Körner vier zentrale Texte: die Liturgiekonstitution "Sacrosanctum concilium", die Offenbarungskonstitution "Dei Verbum", die Kirchenkonstitution "Lumen gentium" sowie die Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" über die Kirche in der Welt von heute. Große Bedeutung komme auch den Erklärungen zur Religionsfreiheit und zum Verhältnis zu nichtchristlichen Religionen zu, insbesondere zum Judentum. Nach dem Holocaust habe das Konzil klar festgehalten, dass das Judentum das von Gott zuerst geliebte Volk sei.
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