Migranten in Kroatien haben es zunehmend schwer im Alltag
14.12.202511:06
Kroatien/Migration/Gesellschaft/Politik/Kirche
Beliebtes Urlaubsland in der politischen Rechtskurve? Stimmen wie jene des Direktors des Jesuiten-Flüchtlingsdiensts Südosteuropa warnen vor den Folgen - Hintergrundbericht von Markus Schönherr (KNA)
Zagreb, 14.12.2025 (KAP/KNA) Wenig berührt von der Weltpolitik und doch geprägt von Spannungen: Kroatien blickt auf ein turbulentes politisches Jahr zurück. Unbestrittener Höhepunkt war das Mega-Konzert des als ultranationalistisch geltenden Popstars Marko Perkovic alias Thompson: Im Sommer hatte er etwa eine halbe Million Menschen in der Hauptstadt Zagreb versammelt - eine in Kroatien bis dahin unerreichte Zuschauerzahl. Sein Konzert eröffnete er einmal mehr mit dem Gruß des früheren Faschistenregimes Ustascha: Za dom spremni! ("Für die Heimat bereit"), vergleichbar etwa mit dem Hitlergruß. Und die Menge jubelte.
Jetzt ist Thompson zurück in Zagreb. Dass er und andere einflussreiche Akteure den Rechtsextremismus zunehmend gesellschaftsfähig machen, bereitet Beobachtern Sorge. "Kroatien bewegt sich sowohl politisch als auch kulturell nach rechts", klagt Stanko Perica. Er ist Priester und Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdiensts (JRS) Südosteuropa. In Reden, Online-Kampagnen und bei öffentlichen Events: Vielerorts werde es in diesen Tagen auch politisch kälter.
"Wir werden Migranten abschlachten"
Etwa in der Adria-Stadt Split. Dort schmierten Unbekannte in den vergangenen Wochen Hasstiraden an Fassaden und Türen, wie der lokale Nachrichtensender N1 berichtet. Zwei der schaurigen Botschaften: "Wir werden Migranten abschlachten" und "Serben töten". Neben Juden, Roma und Regimegegnern wurden in den 1940er Jahren auch ethnische Serben in den Konzentrationslagern des Ustascha-Regimes hingerichtet. Die Beziehung zum Nachbarn gestaltet sich bis heute kompliziert.
Beobachter warnen die kroatische Politik davor, Extremismus in den Alltag zurückzuholen. Parteien wie die mitregierende Heimatbewegung (PD) oder die oppositionelle Brücke (Most) hätten vor den Wahlen 2024 und 2025 ihre "migrationsfeindliche Rhetorik verstärkt", berichtet Perica.
Über das umstrittene Thompson-Konzert sagt er: "Viele Zuschauer handelten in guter Absicht. Doch es gab auch eine auffällige Gruppe in schwarzen T-Shirts, die an düstere historische Symbole Kroatiens erinnern." Solche Ereignisse beeinflussten die öffentliche Stimmung und machten das Umfeld wenig einladend für Ausländer, analysiert der Geistliche. Auch Kroatiens konservativer Ministerpräsident Andrej Plenkovic ließ es sich nicht nehmen, für ein Foto mit dem Star zu posieren.
Immer mehr Übergriffe
Schon jetzt wirkt sich die Stimmung auf den Alltag von Nicht-Kroaten aus, so Perica. Nicht etwa auf jenen von Touristen, von denen Kroatiens Wirtschaft heute stark abhängt. Es sind eher Menschen aus Indien, Bangladesch oder den Philippinen, die in den vergangenen Jahren Kroatiens geburtenschwache Gesellschaft ergänzten - dabei aber auch immer häufiger Opfer von Übergriffen wurden.
"Daten des Innenministeriums zeigen, dass sich die Angriffe auf Ausländer 2024 verdreifacht haben", berichtet der Jesuit. "Solche Vorfälle, zumeist von Gruppen junger Männer verübt, umfassen verbale Belästigung und körperliche Gewalt, und erzeugen Angst und Unsicherheit." Perica verweist auf eine aktuelle Umfrage, nach der nur etwa drei Prozent der Kroaten die Anwesenheit von Arbeitsmigranten begrüßten.
Doch es regt sich auch Widerstand gegen den augenscheinlichen Rechtstrend, wie das Portal Balkan Insight vor einigen Tagen berichtete. Statt wie geplant mehrere Konzerte zwischen Weihnachten und Neujahr zu spielen, darf Rechtsaußen-Sänger Thompson bloß ein einziges in Zagreb veranstalten. Das habe der linksliberale Bürgermeister der Hauptstadt verfügt, Tomislav Tomasevic. Von Thompsons Management hieß es dazu: "Bürgermeister Tomasevic fehlt es an Charakter und Kompetenz. Er ist der einzige, der die Gesellschaft spaltet."
Erste Gegendemonstrationen
Doch auch in anderen Städten haben viele Kroaten offenbar genug. So versammelten sich Ende November Tausende auf den Straßen von Zagreb, Rijeka, Pula und Zadar, um gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu demonstrieren. Der Hass drücke sich "in jeder einzelnen Attacke" auf Kurierfahrer und andere Arbeitsmigranten aus, kritisierte einer der Demonstranten laut Balkan Insight. Auch diese Übergriffe hätten in den vergangenen Monaten zugenommen.
JRS-Direktor Perica sieht Kroatiens Behörden in der Verantwortung: "Viele Migranten vermeiden mittlerweile, Vorfälle der Polizei zu melden, weil sie befürchten, dies könnte ihren Aufenthaltsstatus gefährden. Das zeugt von einem deutlichen Vertrauensverlust."