Innsbrucker Bischof über verstorbenen Künstler: "Galionsfigur der Nachkriegsmoderne" hat mit seinem Werk den Dialog zwischen Religion und Gegenwartskunst befruchtet
Innsbruck/Wien, 22.12.2025 (KAP) "Arnulf Rainer war nicht nur eine bedeutende Galionsfigur der Nachkriegsmoderne in Österreich. Sein umfangreiches Werk hat in vielen, auch internationalen Ausstellungen und Konferenzen den Dialog zwischen Religion und Gegenwartskunst befruchtet." Mit diesen Worten hat Bischof Hermann Glettler den verstorbenen österreichischen Künstler unmitttelbar nach Bekanntwerden seines Todes am Sonntag, 21. Dezember, gewürdigt. Gleichzeitig erinnert der für Kunst und Kultur in der Bischofskonferenz zuständige Bischof in seinem Instagram-Posting an die überragende Bedeutung, die das Kreuz für das künstlerische Schaffen von Rainer zeitlebens hatte.
"Als wirkliche Konstante in seinem Gesamtwerk zeigt sich jedoch das Motiv des Kreuzes - es war für ihn die eigentliche Bild-Herausforderung", schreibt Glettler über den Künstler und erinnert an Worte Rainers, in denen er bekannte: "Das Kreuz ist ein bestens geeignetes Verfahren, ein Bild verstummen und bewegungslos werden zu lassen." In diesem Zusammenhang erinnert Glettler daran, dass er selbst 1994 dabei sein durfte, als das Altarbild für das Grazer Priesterseminar, das 1991 von Rainer geschaffene "Braunkreuz", angeschafft wurde - "bis heute ein zentrales Werk des Künstlers". Auch jüngst anlässlich des ersten Konzils der Christenheit vor 1.700 in Nicäa waren in der Ausstellung "blicke nach innen. Nicäa" auf Schloss Bruck in Lienz drei Arbeiten von Arnulf Rainer zu sehen, so der Innsbrucker Bischof, der dazu entsprechende Fotos zu seiner Würdigung auf Instagram gepostet hat.
"Wegwischen, Durchstreichen, Auslöschen und immer wieder Übermalen - das Bild in Frage stellen und zugleich an seine Bedeutung glauben - in dieser Weise war Arnulf Rainer ein rastloser Künstler, ein Bildzerstörer und Bildverehrer zugleich", führt Glettler weiter aus, der selbst als Künstler tätig ist und über eine entsprechende Ausbildung verfügt. Mit "unfassbarer Energie" habe Rainer versucht, die Leinwand aufzuladen und zugleich sie zu relativieren.
"Angeleitet von Msgr. Otto Mauer, dem Wiener Domprediger und Begründer der Galerie Nächst St. Stephan, schöpfte er Impulse für sein Schaffen aus dem Schatz der christlichen Mystik", so Glettler. Immer wieder habe Rainer neben den Übermalungen seiner eigenen Grimassen und anderer Sujets und Bildserien das Christusbild gesucht und "bearbeitet" - es ausgelöscht und zugleich intensiviert.
Abschließend verweist der Innsbrucker Bischof auf die bekannten Worte des Apostels Paulus im 13. Kapitel des Korintherbriefes, wo es heißt: "Jetzt schauen wir in einemnSpiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht." Dazu Glettler: "Dieser Satz aus dem Hohelied der Liebe scheint mir die Intuition des Werkes von Arnulf Rainer gut zu erfassen - und er drückt auch meinen Wunsch, mein Gebet für den Verstorbenen aus: Anschauung Gottes jetzt!"
Anfänge im kirchlichen Umfeld
Der weltbekannte österreichische Maler Arnulf Rainer verstarb am 18. Dezember zu Hause in Oberösterreich kurz nach seinem 96. Geburtstag. Das hat die Familie Rainers am Sonntagnachmittag der APA bestätigt.
Geboren wurde Arnulf Rainer am 8. Dezember 1929 in Baden bei Wien. Dort befindet sich seit 2009 ein eigens ihm gewidmetes Museum. Von 1940 bis 1944 besuchte er die Nationalpolitische Erziehungsanstalt in Traiskirchen und danach die Staatsgewerbeschule in Villach, wo er 1949 maturierte. In Folge wurde er sowohl an der Hochschule für angewandte Kunst als auch für bildende Kunst aufgenommen, die er aber beide schon nach wenigen Tagen wegen Kontroversen mit seinen Lehrern verließ. Gemeinsam mit Ernst Fuchs, Anton Lehmden, Arik Brauer, Wolfgang Hollegha und Josef Mikl gründete er 1950 die "Hundsgruppe" und begegnete 1953 dem Priester Otto Mauer. In dessen "Galerie nächst St. Stephan" war Rainer schließlich bald mit seinen ersten Einzelpräsentationen sowie mit Hollegha, Markus Prachensky und Mikl als Malergruppe "Galerie St. Stephan" zu Hause.
Mit Beginn der 50er-Jahre wandte sich Rainer nach erstem Interesse für Surrealismus und Informel seinen für ihn charakteristischen Übermalungen zu. Eigene und fremde Bilder, Selbstporträts und Fotos kamen ihm unter Farbe, Kohlestift und Kugelschreiber, 1961 wurde er in Wolfsburg wegen der öffentlichen Übermalung eines prämierten Bildes sogar gerichtlich verurteilt. Gerade wegen seiner radikalen Verhüllung von oft auch religiösen Symbolen war Rainer jahrelang umstritten - von kirchlicher Seite wurde seine Arbeit aber mit mehreren Auftragsarbeiten und Ehrendoktoraten sowohl der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität von Münster als auch der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz zunehmend gewürdigt. Zu Friktionen kam es jüngst im Zusammenhang mit 77 Kreuzarbeiten des Künstlers, die im Wiener Stephansdom zur Fastenzeit 2026 ausgestellt werden sollen. Rainer hatte erst im November über seinen Anwalt dagegen Protest eingelegt mit der Begründung, er habe diese Werke nie aus religiösen Motiven geschaffen und fühle sich kirchlich vereinnahmt.
In den internationalen Kunstrankings wurde Arnulf Rainer wiederholt in den Top 100 geführt, und auch die Museen der Welt würdigten die künstlerische Arbeit des Malers mit zahlreichen Personalen und Retrospektiven - vom Centre Pompidou in Paris (1984) über das Guggenheim in New York (1989) bis zur Pinakothek der Moderne in München. Als maßstabsetzend gilt die Ausstellung "Arnulf Rainer. abgrundtiefe. perspektiefe. Retrospektive 1947-1997" in der Kunsthalle Krems (1997). In Wien waren große Personalen etwa in der Albertina (2014) oder im Kunstforum (2000) zu sehen.
2009 wurde in Baden, seiner Geburtsstadt, das eigens ihm gewidmete Museum im einstigen Frauenbad eröffnet. In Ausstellungen werden dort jeweils einzelne Aspekte Rainers beleuchtet oder sein Werk in Beziehung zu anderen Künstlern gesetzt. Derzeit ist dort die Schau "Arnulf Rainer & Art Brut" zu sehen. Im Herbst kommenden Jahres folgt eine Gegenüberstellung von Rainer und Hermann Nitsch.
77 Kreuzarbeiten sollen in der Fastenzeit 2026 gezeigt werden - Rainer schrieb Anwaltsbrief an Sammler Trenker und Dompfarrer Faber - Dompfarrer: War mit Künstler abgesprochen