Schönborn: "Mir tut es gut, jetzt wirklich unter den Leuten zu leben"
22.12.202510:39
Österreich/Kirche/Leute/Schönborn/Kloster
Emeritierter Wiener Erzbischof in Zeitungsinterview über sein neues Leben im Kloster der "Schwestern vom Lamm" in Wien-Brigittenau
Wien, 22.12.2025 (KAP) Über sein neues Leben als emeritierter Erzbischof hat Kardinal Christoph Schönborn in einem vorweihnachtlichen Interview reflektiert. Der Kardinal wohnt nun in Wien-Brigittenau im Kloster der Kleinen Schwester vom Lamm in der Dammstraße, und damit "weit genug weg vom Stephansplatz", um als Altbischof dem neuen Bischof Platz zu lassen, so Schönborn im Gespräch mit der Wochenzeitung "Mein Bezirk" (Montag). Es tue ihm gut, "hier wirklich unter den Leuten zu leben". Die herzliche Klostergemeinschaft und die umliegenden Pfarren hätten ihm bei der Beheimatung geholfen. Launig berichtet der 80-jährige Kardinal auch über seine neuen Stammlokale und den bevorzugten Eissalon. Er habe sich im Grätzl "schon richtig eingelebt" und sei auch mit Straßenkehrer, Briefträger und Trafikant bekannt.
Schönborn hatte zu seinem 80. Geburtstag am 22. Jänner die Leitung der Wiener Erzdiözese an den Apostolischen Administrator Josef Grünwidl übergeben, der ihm mit seiner Bischofsweihe im Jänner 2026 auch als Erzbischof folgen wird. Seither lebt der Kardinal im Arbeiterbezirk Brigittenau als Teil der Hausgemeinschaft des 2012 errichteten Klosters der aus Südfrankreich stammenden Ordensgemeinschaft "Kleine Schwestern vom Lamm", für die Schönborn schon lange der kirchenrechtliche Verantwortliche auf internationaler Ebene ist. Einfacher Lebensstil, Solidarität mit den Armen, gemeinsame Gebetszeiten und Straßenmission prägen den Alltag des Bettelordens.
Besonders schätze er bei den Schwestern vom Lamm wie auch bei den Brüdern des Ordens, die in Wien ein paar Straßen weiter ihre Niederlassung haben, den Brauch von zehn Minuten Stille am Ende der täglichen Messe, "dass man nicht gleich wegrennt und sich in den Alltag stürzt, sondern das ausklingen lässt". Diese Momente der Stille seien wichtig, betonte der Kardinal. In Ruhe zu kommen, sei in allen Religionen zentral, viele Menschen sehnten sich danach. Zugleich gebe es bei vielen auch die Angst vor der Stille, die man deshalb mit Erlebnissen und Eindrücken fülle. Schönborn: "Aber das hilft nicht zur inneren Ruhe."
Weihnachten mit der Caritasgemeinde
Das Weihnachtsfest weckt bei Schönborn ganz unterschiedliche Erinnerungen. Als Kind habe er einmal ein Fest erlebt, "an dem die Spannung zwischen meinen Eltern so spürbar war, dass es mich nicht gewundert hat, dass es zur Scheidung kam", so der Kardinal, der diese Realität als ein "sehr weit verbreitetes Phänomen" bezeichnete. Oft bedeute das Zusammenkommen der Familie auch Stress, besonders wenn unter den Mitgliedern Spannungen bestehen. Auf der anderen Seite gebe es jedoch auch "sehr, sehr viel Berührendes" zu Weihnachten.
Er selbst werde die Weihnachtsmette wie schon seit 30 Jahren in der Caritas-Gemeinde feiern, kündigte Schönborn an. Weihnachten erlebe er dort als "etwas sehr, sehr Echtes", denn es gehe dabei nicht nur ums Festmahl, sondern um das Zusammenkommen in Armut und Bescheidenheit. "Je näher man dem ursprünglichen Weihnachten kommt, desto echter ist es. Und das war halt nicht ein Christbaum, das war eine Krippe, das war ein Stall. Das war eine Herberge mit vielen Menschen nebenan. Und dort haben die Beteiligten eine Freude erlebt", so der Kardinal. Berührend sei für ihn bei dieser Messe auch das Verlesen der Namen der Verstorbenen des Jahres.