In der katholischen Volksfrömmigkeit haben Reliquien einen wichtigen Stellenwert. Nicht verwunderlich ist daher, dass im Laufe der Geschichte zahlreiche Gegenstände verehrt wurden, die mit der Weihnachtsgeschichte assoziiert werden
Wien, 15.12.2022 (KAP) Reliquien gibt es in vielen Religionen, auch im Christentum. Es handelt sich dabei wörtlich übersetzt um "Überbleibsel" (lat. reliquiae) von heiligen Personen: Knochen, Haare, Kleider, Schriftstücke, auch Skurriles ist mitunter darunter. So gibt es eine Reihe von kuriosen Artefakten, die sich auf die Geburt Jesu beziehen, wie der Theologe und ehemalige Pastoralamtsleiter der Diözese Graz-Seckau, Karl Veitschegger, gegenüber Kathpress berichtete. Diese reichten von der Nabelschnur und den Milchzähnen Jesu über den Verlobungsring Marias bis zum Hirtenstab Josefs.
"Reliquien sind für den christlichen Glauben nicht notwendig", betonte Veitschegger. So habe der katholische Theologe Thomas Söding diese einmal als "Luxus" bezeichnet, als "Erinnerungsstücke und Andenken, die man nicht unbedingt haben muss". Sie dennoch in Ehren zu halten, könne die Aufmerksamkeit für Personen und Ereignisse stärken, auf die sie hinweisen. "Angreifbares wird so zur Brücke zum Unsichtbaren", so Veitschegger. Für diesen Hinweischarakter sei letztlich nicht entscheidend, ob Reliquien "echt" sind, "auch wenn die offizielle Kirche spätestens seit der Aufklärung darauf Wert legt". Manchmal sei aber auch etwas Humor vonnöten, empfahl Veitschegger "katholisches Augenzwinkern".
Eine Vielzahl der Überbleibsel ist demnach mit den Hauptfiguren der Weihnachtsgeschichte - Jesus, Maria und Josef - verknüpft, aber auch den Hirten oder den Heiligen Drei Königen. Allein vom Jesuskind waren im Mittelalter eine Vielzahl von Objekten im Umlauf. In verschiedenen Kirchen wurden etwa Milchzähne Jesu verehrt. "Dieser Kult blieb allerdings umstritten", erklärte Veitschegger. So habe es frommen Protest dagegen gegeben, da manche Theologen Zahnausfall als Folge der Erbsünde sahen und deshalb, so die Logik, Jesus keine Zähne ausgefallen sein konnten.
Nicht nur im Lateran in Rom, auch an vielen anderen Orten wurden - oft winzige - Teile der Nabelschnur Jesu unter dem Titel Sanctus Umbilicus (Heiliger Nabel) verehrt. Aufsehen erregte 1717 die Zerstörung des "Heiligen Nabels" von Chalons-en-Champagne (Frankreich) durch Bischof Jean-Baptiste-Louis-Gaston de Noailles, der die Reliquie nach einer Prüfung durch seinen Arzt, der der Legende nach daran kaute, für unecht erklärte, berichtete Veitschegger.
Selbst die Vorhaut Jesu, die Jesus laut Lukasevangelium am achten Tage nach seiner Geburt im Zuge der Beschneidung entfernt wurde, wurde als "Sanctum Präputium" (heilige Vorhaut) verehrt. Der Legende nach habe eine alte Frau diese in Öl eingelegt und so über die Zeiten konserviert. Karl der Große soll die Reliquie dann anlässlich seiner Kaiserkrönung am 25. Dezember 800 in Rom Papst Leo III. geschenkt haben. Nach vielen Stationen behaupteten gleich 13 Kirchen, im Besitz der heiligen Vorhaut zu sein. Reformation und Französische Revolution machten vielen dieser Objekte ein Ende. Die Vorhaut-Reliquie in Calcata wurde allerdings noch 1856 von einem Bischof als "echt" anerkannt und bis 1983 bei Prozessionen öffentlich gezeigt. Dann verschwand sie plötzlich unter bisher ungeklärten Umständen.
Die Muttermilch Marias
Auch von Maria werden zahlreiche Reliquen verehrt, die im Kontext mit Weihnachten stehen. Im Dom im italienischen Perugia wird etwa der Santo Anello aufbewahrt: ein Ring aus honiggelbem Chalzedon-Quarz. Ihn soll der hl. Josef der Jungfrau Maria bei ihrer Verlobung angesteckt haben. Im französischen Chartres wird der Schleier der Jungfrau Maria verehrt. Die Reliquie soll ein Geschenk des Kaisers von Byzanz an Kaiser Karl den Großen gewesen sein. Laut Überlieferung trug Maria diesen Schleier während der Verkündigung durch den Engel Gabriel.
Im Mittelalter waren zudem Ampullen mit der angeblichen Muttermilch Marias ein Renner. Im 12. Jahrhundert zählte man ganze 69 katholische Heiligtümer mit Marienmilch-Reliquien. Kurfürst Friedrich der Weise, der berühmte Beschützer Luthers, soll neben Haaren der Gottesmutter auch solche Muttermilch-Fläschchen in seiner üppigen Reliquiensammlung gehabt haben. Martin Luther seufzte über seine vorreformatorische Zeit: "Ach! Was haben wir der Maria Küsse gegeben! Aber ich mag Marias Brüste und Milch nicht, denn sie hat mich nicht erlöst noch selig gemacht."
Auch von Josef wurden viele Objekte verehrt: Der Stock Josefs und Teile seines Mantels, in welchen er das Jesuskind eingehüllt haben soll, werden in Rom in Santa Cecilia in Trastevere und in Sant'Anastasia am Palatin aufbewahrt. Ein weiteres Stück gehört den Unbeschuhten Karmeliten in Antwerpen, wo es zu Weihnachten zur Verehrung gezeigt wird. Fäden aus dem Mantel findet man in zahlreichen Kirchen, so auch in der Jesuitenkirche in Wien.
Weitere Objekte sind etwa die Geburtsgrotte Jesu in Betlehem. Seit dem zweiten Jahrhundert wird sie von Christen und Christinnen Palästinas als heiliger Ort verehrt. Auch die Hirten-Gräber, denen laut Lukasevangelium durch Engel die Geburt des Heilands verkündet wurde, werden in einem orthodoxen Kloster in Beit Sahur nahe Betlehem verehrt. Der bekannte Dreikönigsschrein im Kölner Dom enthält angeblich die sterblichen Überreste der weisen Sterndeuter aus dem Morgenland. 1864 wurden die Reliquien ausgepackt; Sie sind in kostbare Stoffe aus dem zweiten Jahrhundert gehüllt, die nachweislich aus dem syrischen Raum stammen. Immerhin.
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